5 1/2 Wochen
ich viel erzählen... Mary, Lynn, Francine aus Belgien samt ihren Schwestern und ich verbringen den Abend in einem von ihnen ausgesuchten Restaurant. Die Stimmung ist grandios - das Lokal voll besetzt. Bei einigen Gläsern Rotwein und einem herzhaften Pilgermenü lassen wir es bis spät in die Nacht so richtig krachen.
Endlich im Bett, melden sich meine Muskeln ziemlich deutlich. Alles tut mir weh. Mein Körper schreit nach Erholung. Kein Wunder, nach den letzten beiden Tagen durch die Berge und alle Naturgewalten, die sie aufzubieten haben. Ich mache mir noch einmal bewusst, dass ich heute auf fünfzehn Kilometern über 900 Höhenmeter bewältigt habe. Das ist krass! Mann, bin ich gut! Ich decke Ruddi in seinem Taschenbett zu und hab Tränen in den Augen. Was dieser kleine schwarze Mischlingsrüde so drauf hat, ist gigantisch. Nach einem Küsschen auf seine Stirn und beruhigenden, dankbaren Worten zu meinem Körper schlafe ich glückselig ein.
Montag, 12. Mai 2008
Molinaseca (771 Einwohner), 590 m üdM, Provinz León
28. Etappe bis Villafranca del Bierzo, 31 km
Direkt nach dem Aufwachen werde ich von einem aggressiven Kater belästigt. Könnte mir vorstellen, dass der sich ständig hier herumtreibt und alle Pilger unsanft aus ihren Träumen von der gestrigen sagenhaften Berglandschaft in die Realität zurückholt. Ich traue mich gar nicht aus dem Bett, so furchtbar faucht der. Er heißt Muskelkater und lässt sich nur durch stetige Bewegung vertreiben. Also überwinde ich mich, setze - trotz „panischer“ Angst vor einem Angriff - vorsichtig ein Bein nach dem anderen auf den Fußboden. Er geht in Deckung, gibt mir aber deutlich zu verstehen, dass ich mich ja nicht zu abrupt bewegen sollte. Er bleibt bis nach der Morgentoilette in Angriffsstellung, aber schon beim Rucksackpacken habe ich ihn soweit im Griff, dass ich mich wieder einigermaßen frei rühren kann.
Das Frühstücks-Buffet ist ein Traum. Es ist genauso perfekt bestückt, wie das riesige Kaminzimmer eingerichtet ist. Trotz der Größe strahlt der Raum Gemütlichkeit und Wärme aus. Außer mir hält sich momentan nur ein Ehepaar aus England hier auf. Sie sind gerade dabei, den ersten Kaffee zu trinken. Ich erkenne sofort, dass das keine Pilger sind. Sie wiederum identifizieren mich spontan als solchen und bieten mir an ihrem Tisch einen Platz an. Gerne setze ich mich zu ihnen und beantworte alle ihre Fragen.
Sie sprechen ein bisschen Deutsch und ich ein bisschen Englisch. Mit großen Augen hören sie mir gespannt bei meinen Ausführungen über die Pilgerschaft zu. Zum ersten Mal wird mir so richtig bewusst, wie viel ich nach 570 Kilometern mit Hund auf dem Jakobsweg zu erzählen habe. Wenn sie alles wissen wollen, müssen wir noch ein, zwei Tage in diesem traumhaften Hotel verbringen. Ich glaube sie bekommen so langsam Lust, sich auch einmal auf den Camino zu wagen.
Kurz nach neun reiße ich mich am Riemen und mache mich auf den acht Kilometer langen Weg nach Ponferrada. Insgesamt habe ich für heute unglaubliche 31 Kilometer eingeplant. „Denn man tou!“ wie der Norddeutsche sagen würde. Die letzten beiden Tage lag ich mit 21 und 15 Kilometern weit unter dem Tages-Durchschnitt. Es nützt ja nix, da müssen Ruddi und ich heute mal ein bisschen Gas geben. Ich habe die Hoffnung, dass wir übern Berg sind und zur Abwechslung mal wieder schön flach unterwegs sein können. Wenn alles gut geht, übernachte ich also in Villafranca del Bierzo.
Am Ortsausgang werfe ich noch einen letzten Blick zurück auf Molinaseca. Die Sonne strahlt aus einem wolkenlosen dunkelblauen
Himmel und lässt alles noch schöner und freundlicher erscheinen, als es sowieso schon ist. „Danke für alles!“
Auf einem gepflasterten, ziemlich breiten Bürgersteig führt der Camino ganz bequem über sanfte Hügel an einer mäßig befahrenen Landstraße entlang. Meditatives Gehen! Nicht denken, einfach treiben lassen. Traumhaft! Es geht fast von alleine. Ich genieße den Weg durch das Bierzo, das von ziemlich hohen Bergen umgeben ist. Ich will die Schönheit dieser Landschaft aufsaugen, konzentriere mich völlig darauf und verpasse schön den gelben Pfeil der dem aufmerksamen Pilger den rechten Weg weist. Schade, der hätte mich von der Landstraße weg durch die Felder geführt. Ich bleibe cool, denn auf diesem Weg komme ich ebenfalls ganz sicher nach Ponferrada. Das zeigen mir die Hinweisschilder für Autofahrer deutlich an.
Kurz vor der Stadt stolpere ich über eine
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