5 1/2 Wochen
wird. Sie winken mir temperamentvoll zu und rufen mich lachend heran. Über eine breite Treppe erreiche ich den Eingang. Es dauert eine Weile, bis sich eine der Señoritas bei mir einfindet.
Ich stehe in einem riesengroßen und sehr hohen Raum. Ich bin tief beeindruckt, fühle mich wie in einem Schloss. Der Boden ist mit sehr großen Kieselsteinen geschmackvoll gefliest. In regelmäßigen Abständen findet man kleinere Kiesel, die einen Rahmen um die größeren bilden. Riesige Bruchsteine zieren von oben bis unten die Wände. Schwere und wertvolle Holzmöbel wurden um einen wunderschönen Kamin herum großzügig angeordnet. Dazwischen befindet sich ein offenes Rotweinfass für alle Gäste, die es sich auf den großen, weichen Kissen auf den Bänken, die den Kamin abgrenzen gemütlich machen wollen. Etwa zwanzig Zentimeter dicke Holzregale sind mit etlichen Weinflaschen bestückt. Runde Glastische, deren Grundgerüst Wagenräder sind, schmiegen sich ebenfalls umlaufend mit dem nötigen Abstand zu den Bänken um den Kamin. Auf antiken, schweren Sideboards wird morgens das Frühstücks-Buffet angerichtet. Im ganzen Raum verteilt findet man landwirtschaftliche Gerätschaften aus längst vergangenen Zeiten. Ich sehe auf den ersten Blick, dass dieses Haus ungewöhnlich gut gepflegt ist. Ich kann fühlen, dass es seit Jahrhunderten aus tiefstem Herzen geliebt wird.
Über eine breite Holztreppe erreichen wir die obere Etage und befinden uns nun in einem sehr großzügigen runden Raum, der ähnlich dekoriert ist, wie der untere. Einige Sitzecken mit gemütlichen Polstern laden zum Verweilen ein. Von hier aus erreicht jeder Gast sein Zimmer. Mir fällt auf, dass es ungewöhnlich viele gebundene Bücher gibt. Während die Señorita mit mir zu meiner Zimmertür schreitet - mein Gang ist nach der Bergwanderung leider nicht mehr ganz so graziös - erfahre ich, dass der Vater oder Großvater der Señorita Schriftsteller ist oder war. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das Zimmer steht dem bisher gesehenen in nichts nach. Als erstes fällt mir mit einem Ausruf des Entzückens jedoch auf, dass auf dem riesengroßen Bett ein dickes, kuscheliges Plumeau liegt. Das ist für Spanien ungewöhnlich. Normalerweise deckt man sich hier mit mehreren dünnen Decken zu.
Plötzlich kommt mir der Gedanke, dass ich diese Übernachtung vielleicht vor Antritt der Reise besser bei meiner Hausbank finanziert hätte. Ob ich das bezahlen kann? Ich will aber auch nicht mehr weg! Das Bett, die Dusche, der Ausblick, das ganze Ambiente faszinieren mich so sehr. Vorsichtig frage ich nach dem Preis und jubiliere innerlich. 40 Euro inklusive Frühstück und der Hund ist auch im Preis drin. Sofort rutscht mir der Rucksack von den Schultern.
Wie immer, will ich sofort die Zimmermiete bezahlen. Ach du Schande, ich habe nicht mehr genug Bargeld. Ich will ja auch noch essen gehen. Auf meine Frage, wo der nächste Geldautomat ist, bekomme ich ein klares „no hay cajeros automáticos (es gibt keinen Geldautomaten)“. Bevor ich in Panik verfallen kann, beruhigt mich meine Vermieterin. Sie macht mir mit Händen und Füßen klar, dass sie mir vertraut und ich morgen in Ponferrada zur Bank gehen und ihr den Betrag überweisen könnte. Ja, das außergewöhnlich gute Gefühl, als ich Molinaseca erreichte, hat mich nicht getrügt. Sie haben wohl tatsächlich auf mich gewartet und wollen, dass ich mich wirklich willkommen fühle. „Gracias de todo corazón, señorita (herzlichen Dank).“
Niemand kann sich vorstellen, wie sehr ich gerade die Dusche genieße. Lange - sehr lange! - stehe ich glücklich lächelnd unter dem warmen Wasserstrahl und lasse mich berieseln. Dann mache mich so schick, wie es die Ausrüstung eines Pilgers hergibt und schlendere durch die Gassen auf der Suche nach dem richtigen Restaurant. Dabei komme ich auch an dem Café vorbei, wo ich eben so gemütlich in der Sonne gesessen habe.
Ich führe schon wieder Freudentänze auf! Da sitzt doch tatsächlich Mary mit einer mir unbekannten Frau in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Wortlos falle ich in den freien Stuhl an diesem Tisch. Bruchteile einer Sekunde reichen, um Mary aus der Fassung zu bringen.
Nach einer stürmischen Begrüßung genießt sie Ruddi’s Nähe noch mehr, als er ihre liebevolle Zuwendung und ich muss mit ansehen, wie mein Hund auf ihrem Schoß sitzend, seine Schnauze auf den Tischrand legt und seine Augen zufrieden zu kleinen Schlitzen werden lässt.
Was soll
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