5 1/2 Wochen
abholen. Die machen um 22 Uhr zu. Es ist gleich halb und ich weiß nicht, wo ich hin muss.“ Unsere muntere Vermieterin hält mich aber oben durch ihr Gequatsche fest. Sie möchte auch Hermanns Pilgerpass stempeln. Ich versuche, ihr zu erklären, dass mein Freund dringend weg muss. Sie versteht kein Wort und erzählt ganz aufgeregt eine spannende Geschichte. Er reicht mir nervös seinen Pass und flüstert mir zu, dass ich zu Ruddi müsse, er ginge jetzt seinen Rucksack holen und kommt in einer Stunde wieder. Ich höre, wie unten die Haustür ins Schloss fällt und mir wird ganz anders.
Was, wenn mein Hund jetzt bellt oder heult? Darf ich dann trotzdem bleiben? Wenn nicht, müsste ich die Spanierin fesseln und knebeln, denn ich bin nicht bereit, auch nur ein Haus weiterzugehen. Ich muss runter! „Señora, perdón. Yo muss dringend auf Toilette,“ benutze ich als Ausrede um aus dieser Nummer raus zu kommen. Um die Dringlichkeit zu unterstreichen und damit hier keine Missverständnisse aufkommen, halte ich meinen Bauch und kreuze mit leicht gebeugten Knien die Beine. Unfassbar, die ist nicht still zu kriegen und denkt nicht daran, mich zu entlassen. Also werde ich unhöflich und gehe mit einem nochmaligen „perdón“ die Treppe hinunter. Wieder höre ich ein leises Fiepen von meinem vierbeinigen Freund. Meine Nerven liegen wirklich blank. „Lieber Gott, wenn es Dich gibt, dann setz Dich zu Ruddi in die nasse Tasche!“ lautet mein Stoßgebet.
Die Señora folgt mir und drängelt sich - immer noch redend - an mir vorbei in unser Zimmer Richtung Heizung. „Wenn ich jetzt tief Luft hole, bin ich auch besoffen und dann wäre mir alles egal!“ denke ich verzweifelt. Sie berührt mit ihrem Fuß die Hundetasche, als sie prüft, ob das Gerät warm ist. Ich halte den Atem an und suche schon nach einer Erklärung dafür, dass diese kleine Tasche bellen kann. Aber es gibt ihn wirklich! Der liebe Gott sitzt mit Sicherheit darin und hat den Hund hypnotisiert. Der rührt sich nämlich nicht und so ist dieser Kelch an mir vorüber gegangen.
Kaum bin ich allein im Zimmer, befreie ich Ruddi und erzähle ihm, wie stolz er mich macht. Er drückt sich an mich und gibt mir zu verstehen, dass er weiß worum es hier geht. Ich nutze den Rest der von Hermann angekündigten Stunde der Abwesenheit für eine Dusche. Als er mit seinem Rucksack wiederkommt, bin ich dem Hungertod nahe. Ihm geht es ähnlich und nachdem auch er aus sich wieder einen Menschen gemacht hat, begeben wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Da es mittlerweile 22.30 Uhr ist, gibt es im ganzen Ort angeblich nur noch ein geöffnetes Speiselokal.
Auf dem von Hermann mitgebrachten Stadtplan sehen wir, dass dieses Haus ein bis zwei Kilometer weit weg ist - etwas außerhalb von Zubiri. Gott sei Dank regnet es momentan nicht und wir machen uns auf den Weg. Es ist windig und kalt heute Nacht. Unsere Jacken sind feucht. Ich habe Schwierigkeiten, meinen Körper zu koordinieren und komme nur langsam voran. Deshalb gebe ich Hermann den Tipp: „Lauf ruhig vor, nimm zu dieser späten Stunde nicht auch noch Rücksicht auf mich. Das hast Du schon den ganzen Tag getan. Ich brauche jetzt einen Moment länger.“ Er antwortet schmunzelnd: „Du Scherzkeks! Wenn ich könnte, würde ich das nur deshalb tun, damit das Restaurant uns nicht die Tür vor der Nase verschließt. Davon abgesehen, wäre ich alleine auch tagsüber nicht schneller vorangekommen. Ich bin genauso fertig wie Du. Oder willst Du mich auf den Arm nehmen?“ Als ich mir das bildlich vorstelle, wie ich mit dem Zwei-Meter-Mann auf dem Arm diese verlassene Landstraße entlang watschele, kann ich mich nicht mehr halten. Wir müssen beide laut lachen und steigern uns noch als wir, ohne es auszusprechen, gleichzeitig wahrnehmen was für ein Bild es abgeben muss, wie wir die schnurgerade breite Hauptstraße entlang kriechen. Der einzige, der graziös unterwegs ist, ist Ruddi.
Mit den letzten Reserven erreichen wir fast trockenen Fußes das Ende der langen Straße und sind am Ziel - da, wo es endlich was zu essen gibt. Das Lokal ist sehr groß und gerammelt voll. Hier herrscht eine ausgelassene Stimmung. Die meisten Gäste sind Einheimische. Wir können aber auch zu dieser späten Stunde noch ein paar Pilger entdecken. Die erkennt man übrigens am Gang! Wir bestellen unser Pilgermenü und reißen uns schwer zusammen, um nach der blitzschnellen Lieferung nicht unkontrolliert darüber herzufallen. Ruddi verzaubert uns mit
Weitere Kostenlose Bücher