5 1/2 Wochen
ankommen? Wir haben Glück, der Herbergsvater kommt schon nach 15 Minuten, begrüßt uns herzlich und gibt Hermann seinen Rucksack mit den Worten: „Ich habe gestern sehr lange auf Sie gewartet und Ihnen ein Bett freigehalten. Das war nicht so einfach, wir waren voll belegt. Viele Pilger mussten weiterlaufen. Sie hätten anrufen müssen, um mir zu sagen, dass Sie nicht mehr kommen. Dann hätte ich einen anderen Pilger aufnehmen können und mich auch nicht so sehr um Sie gesorgt.“ Hermann entschuldigt sich dafür: „Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass Sie auf mich warten könnten. Ich bin noch unerfahren als Pilger und habe keine Ahnung von den Abläufen in den Herbergen. Es tut mir sehr leid.“ Der Mann verzeiht ihm, und der Vorfall ist vergessen.
Dann kann Hermann sich ja wieder an seinen Rucksack gewöhnen! Er wird es genießen, dass der nach dem Ausmisten in Zubiri deutlich leichter ist. Wir bahnen uns den Weg durch die Stadt, der kein Ende zu nehmen scheint. In der Altstadt mit ihren tausend Geschäften, halte ich Ausschau nach einem „Fressnapf4 oder ähnlichem. Ich muss Ruddi eine neue Tasche kaufen, die alte löst sich gnadenlos auf. Weitere fünf Wochen hält die nicht durch. Ich bin enttäuscht und ein bisschen unruhig, als wir die City verlassen und keine Aussicht auf Kauf besteht. Zwei oder drei Passanten habe ich gefragt, wo es ein Geschäft für Tierbedarf gibt, aber sie konnten mir keine positive Auskunft geben. Ich denke: „Wenn ich so einen Laden noch nicht mal in Pamplona finde, wo dann?“ Meine innere Stimme beruhigt mich kurz und knapp: „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Vertrau mir einfach und halte Dich bereit.“ Also bleibe ich letzten Endes doch ruhig, lasse den Dingen ihren Lauf und höre auf zu suchen.
Hoffentlich sind wir hier bald durch. Ich will wieder meine Ruhe und vor allem abgasfreie Luft haben. Pamplona ist ja so groß. Wir durchlaufen mehrere Stadtteile auf einer langen vierspurigen, sehr befahrenen Straße. Ich erlebe das Laufen in diesem Großstadtlärm als sehr stressig. In Gedanken bin ich bereits wieder auf dem Lande. Mir fällt auf, dass der Mensch meist das haben möchte, was er gerade nicht hat. In den Bergen wünschte ich mir sehnlichst einen zivilisierten Bürgersteig herbei. Jetzt habe ich ihn und will nur schnellstens weg. Da stimmt doch was nicht! Mir wird erneut klar, dass ich hier auf dem Camino alles bewusst wahrnehmen sollte, denn ich komme nicht wieder zurück, wie es in einem „normalen“ Urlaub der Fall wäre. Was ich jetzt nicht verinnerliche, habe ich sozusagen verpasst. „Lebe im Hier und Jetzt! Denke nicht an das, was eben war und nachher passieren könnte. Du übersiehst sonst die Geschenke des Lebens.“ erinnert mich meine innere Stimme. Sofort denke ich um und mache meine Augen und Ohren auf.
Ich nehme es nur aus den Augenwinkeln wahr, bin schon daran vorbeigelaufen, aber war das nicht...? Ich rufe Hermann zu mir, gehe drei Schritte zurück und sehe im Schaufenster eines „Ein-Euro- Ladens“ verschiedene Artikel für Tiere stehen. Das gibt es doch gar nicht! Fast hätte ich es verpasst - das, was das Leben im richtigen Moment für mich bereithält. Wir gehen in den Laden und finden auf Anhieb Ruddi’s „neues Zuhause“. Die Tasche ist ein bisschen größer als die alte - außerdem ist sie stabiler. Sie hat zwar keine Rucksack- Riemen, aber einen Schultergurt und der Preis ist okay. Ich lege seine Decke hinein, gucke meinen Hund fragend an und er springt in diese Tasche, legt sich hin und gibt mir zu verstehen, dass er ab sofort darin wohnen möchte. Na, das ging ja schnell!
Auf dem Weg zur Kasse entdecke ich Regenmäntel für Hunde. Soll ich ihm doch einen kaufen? Wenn ich alleine unterwegs bin und es den ganzen Tag regnen sollte, muss ich Ruddi tragen. Er wiegt zwar nur fünf Kilo, aber die werden auf die Dauer ganz schön schwer. Meine Füße würden es mir bestimmt danken. Aber braucht Ruddi so was wirklich? Ich würde mein Versprechen brechen, ihm niemals etwas anzuziehen. Ich lass es.
An der Kasse angekommen, ändere ich meine Meinung, drücke Hermann die Leine in die Hand, laufe durch den ganzen Laden bis in die hinterste Ecke und komme mit einem knallroten Regenmantel für Hunde zurück. Mein Schnurzel hat es sich wieder in seinem neuen „Zuhause“ bequem gemacht und Hermann hat sich neben ihm auf einem Stuhl niedergelassen. Als ich zielstrebig auf meinen Vierbeiner zugehe, ahnt er bereits Böses. Von diesem Moment
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