5 1/2 Wochen
an ist er so steif wie eine Holzfigur. Ich hebe ihn aus der Tasche, setze ihn auf Hermanns Schoß und versuche, ihm die Regenjacke anzuziehen. Weit aufgerissene, kugelrunde, dunkle, feuchte Hundeaugen blicken starr zur Decke. Perrito geht gerade durch die Hölle. Mit viel Geduld und Spucke schaffe ich es. Die Anstrengung war umsonst - das Teil ist zu groß. Triumphierend wirft er mir einen kurzen Blick zu und will nur noch raus aus diesem Laden. Um uns herum hat sich inzwischen eine Menschentraube gebildet. Ruddi bahnt sich mit eingeklemmter Rute einen Weg zum Ausgang. Die Leute wissen nicht, ob sie lachen oder weinen sollen - haben ihren Spaß und bedauern gleichzeitig das zitternde Etwas am Ausgang des Geschäftes. Ich fange Ruddi wieder ein, spreche mit Engelszungen zu ihm, lege ihn wieder bei meinem Pilgerfreund ab und laufe, mittlerweile in Schweiß gebadet, nochmal in die weit entfernte Abteilung.
Außer Atem komme ich mit einem kleineren Cape zurück. Hermann gegenüber habe ich ein schlechtes Gewissen, weil das hier nun doch so lange dauert. Die Zeit läuft! Wir müssen heute immerhin noch über den Alto del Perdón. Er jedoch sitzt seelenruhig da und bringt Ruddi in die richtige Position für die nächste Anprobe. Das gestaltet sich noch schwieriger, als beim ersten Mal, denn die relativ langen Hundebeine lassen sich nun wirklich keinen Millimeter mehr einknicken. Mein Hund dreht sich immer wieder von mir weg und findet das alles total doof. Die „Zuschauer“ möchten am liebsten applaudieren, als ich es - mit einem Kopf, der vor lauter Anstrengung so rot wie das Cape ist - geschafft habe, meinen Hund anzuziehen. Hermann stellt das „Modell“ ganz vorsichtig auf dem Boden ab. Ruddi droht umzukippen, denn in einem Regenmantel kann er sich beim besten Willen nicht bewegen. Irgendwie sieht er aus wie eine Wurst mit Pelle. Der Wetterschutz ist viel zu eng. Ein Blick in seine tränennassen Augen sagen mir: „Dass Du mir das antust, hätte ich niemals gedacht!“ So schnell es geht, ziehe ich dem Häufchen Elend das gehasste Teufelsding wieder aus. Er schüttelt sich, bis ihm schwindelig wird, läuft hocherhobenen Hauptes erneut durch das Publikum zur Tür und wartet in Siegerpose in sicherer Entfernung darauf, die Bühne endlich verlassen zu dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir „standing ovations“ bekämen, wenn die Leute sicher wären, den Hund dadurch nicht noch mehr in Panik zu versetzen. Ohne Verbeugung verlassen auch Hermann und ich ohne Hundemantel die Szene. Draußen angekommen tut mein Hund so, als wäre überhaupt nichts geschehen. Hermann und ich verkneifen uns einen Lachanfall, um meinen kleinen treuen Freund nicht in Verlegenheit zu bringen.
Ich bin beruhigt, dass ich eine neue Tasche für Ruddi habe. Er ist beruhigt, weil die blöden Regenjacken nicht gepasst haben. Die neue Errungenschaft wird hinten an meinen Rucksack gehängt und wir spazieren weiter durch Pamplona dem Stadtrand entgegen.
In einer Seitenstraße suchen wir eine Bäckerei auf, um einen Café con leche zu trinken. Wir haben ja so viel Zeit! Da sich hier schon der Hund der Besitzerin befindet, ignoriere ich das No-perro-Schild an der Tür und stolziere mit meinem hinein. Dann mach ich den fatalen Fehler, der Form halber danach zu fragen, ob das mit Ruddi okay ist Die Antwort lautet definitiv und unwiderruflich NEIN. Hätte ich die Klappe gehalten, wären die fünf Kilo niemandem aufgefallen. Hermann hat keine Lust auf Diskussion, nimmt meine Tasse von der Theke und zieht mich nach draußen. Na super, jetzt kann ich mich nicht mal hinsetzen! Dabei hätte ich das dringend nötig. Da auch diese Straße sehr befahren ist, trinken wir zügig den Kaffee aus und ziehen weiter. Am Stadtausgang, in einem schön angelegten Park, setzen wir uns auf eine Bank und machen ein kleines Picknick. Im Moment scheint die Sonne. Ruddi liegt lang ausgestreckt auf dem gepflegten Rasen. Wir haben uns eben in einer Bäckerei ein paar Croissants gekauft. Das tut gut... Und diesmal steht die Bank tatsächlich auf dem Camino Francés. Wir haben uns heute noch nicht verlaufen.
Kaum haben wir die Stadt hinter uns gelassen, fängt es an zu regnen. Das ist ja wirklich nichts Außergewöhnliches in den letzten Tagen und es macht mir nichts mehr aus, habe es ganz im Gegenteil voll akzeptiert. Ich packe die neue Tasche in den Rucksack und ziehe meinen Poncho über. Ruddi läuft weiter auf seinen eigenen Pfoten, denn es besteht die Hoffnung, dass es
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