5 1/2 Wochen
ich Pech habe bekomme ich Herpes davon und damit er Ruhe gibt, teile ich ihm das auch mit.
„Können wir jetzt bitte über was anderes reden? Wir kommen doch nicht auf einen Nenner. Sei nicht so stur. Nimm es, wie es ist, Hermann!“ Ich quetsche mir ein Lächeln aufs Gesicht. Er steht auf, verschwindet in der Menge und kommt nach einigen Minuten mit den unterschiedlichsten Tapas und drei ummantelten Würstchen zurück. „Ich hab alle Blätterteig-Würste aufgekauft, damit Du satt wirst“, sagt er lächelnd. Meine Welt ist wieder in Ordnung. Wir prosten uns zu und genießen den Rest des Abends mit Rotwein aus der Region.
Kurz vor Mitternacht verlassen wir die Bar. Ruddi geht noch mal Gassi und hilft uns, das Hotel zu finden. Ein paar Straßen von uns entfernt sehe ich mehrere Polizeiautos die das Blaulicht angestellt haben. Viele laute Stimmen sind zu hören. Das ist bestimmt ein Tumult und riecht nach Stress. Findet da eine Schlägerei statt oder ein Überfall? Nicht, dass das ein Anschlag ist! Da kann ich überhaupt nicht mit umgehen und bitte meinen Begleiter, einen anderen Weg einzuschlagen, weil mir die ganze Situation Angst, fast Panik macht. Hermann bleibt cool, guckt mich an und meint todernst: „Merk Dir das, was ich Dir jetzt sage: Wo ich bin oder hingehe, gibt es niemals Ärger!“ Als wir näher kommen, muss ich mir gefallen lassen, dass er mich auslacht: „Es ist kein Anschlag! Es ist ein großes Fest.“ Tatsächlich sehe ich nun auch, dass die Männer und Frauen sich alle sehr schick gemacht haben und ausgelassen in den Straßen feiern.
Kurz darauf erreichen wir unser Hotel. Ruddi sitzt mucksmäuschenstill wieder in seiner Tasche und wir kommen ohne Zwischenfälle ins Zimmer. Hermann springt - jaulend vor Muskelschmerzen - aus der Hose und ohne zu bremsen ins Bett. Ich verschwinde im Bad und überlege wie ich ungesehen mein Bett erreichen kann - ich habe nämlich keine Extra-Wäsche für nachts dabei und steh hier ziemlich im Freien. Ich gebe mir einen Ruck bevor ich an Ort und Stelle im Stehen einschlafe.
Als ich ins Zimmer komme, glaube ich, dass Hermann schon schläft - mit dem Gesicht zum Fenster. „Wie rücksichtsvoll“, denke ich, „dann war das gestern Nacht gar kein Zufall, dass er zur Wand geschaut hat, als ich rein kam!“ Ich denke über unsere Situation nach: Es ist schon ein starkes Stück, dass ich mit einem wildfremden Mann ein Hotelzimmer teile. Aber irgendwie passt alles. Wir haben das gleiche Tempo beim Laufen, wir haben den gleichen Humor, der eine hilft dem anderen. Aber keiner von uns käme auf die Idee, aus dieser Pilger-Freundschaft mehr machen zu wollen.
Kurz nachdem ich mich hingelegt und in meine Decke gekuschelt habe vernehme ich ein leises „Gute Nacht, schlaf schön.“
„Ja. Du auch!“
Samstag, 19.April 2008
Villava (9575 Einwohner), 430 m üdM, Navarra
5. Etappe bis Uterga, 21,4 km
Der Muskelkater ist immer noch sehr stark heute Morgen. In der Nacht wurde ich wieder bei jeder Bewegung wach. Meine neue Taktik lautet: Soweit es geht, ignorieren. Mein Gang gleicht immer mehr dem einer Ente. Ich bin unfähig, die Füße abzurollen und die Beine sind steif. Also watschele ich über mich selbst lachend zum Frühstück. Ruddi wird wieder getragen und ich überlege wie ich es am unauffälligsten bewerkstellige, ihn zuerst einmal nach draußen zu lassen. Wahrscheinlich interessiert es keinen Menschen, ob ich raus gehe oder nicht. Aber man weiß ja nie.
Ich erreiche durch das riesige Foyer den Frühstücksraum, der so um die 30 Tische bietet. Es sind nur drei besetzt - das Personal und die anderen Gäste haben also viel Raum und wenig Ablenkung von mir. Mit der Angst im Nacken mein Hund würde gleich entdeckt, gehe ich erst mal zu Hermann, der schon bei einem Café con leche sitzt und sage laut und deutlich: „Ich muss vor dem Frühstück unbedingt frische Luft schnappen. Ich geh mal um den Block.“ „Lass Dich nicht erwischen“, antwortet er leise lachend. Ich fühle mich wie ein Verbrecher - habe das Gefühl, dass alle Augen auf mich gerichtet sind. So kenne ich mich gar nicht! Ich glaube, mir liegen durch die Anstrengungen der letzten Tage und dem unruhigen Schlaf die Nerven blank.
Gegenüber vom Hotel gibt es einen Feldweg, der sich perfekt zum Gassi-Gehen eignet. Ich schau mich um und weiß, dass die Leute im Frühstücksraum mich sehen könnten. Eine andere Grünfläche ist aber nicht in Sicht und so langsam ist mir das hier auch zu blöd. Ich mach
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