5 1/2 Wochen
ich mich ohne ein Wort von ihr ab und Hermann zu. Um ihr deutlich zu machen, dass ich sehr beschäftigt bin, erzähle ich meinem Pilgerkollegen intensivst von dem „kleinen Einkaufszentrum“. Das hat sie geschluckt und lässt mich in Ruhe.
Etwas später kümmere ich mich wild entschlossen wieder um unsere Wäsche. Die Waschmaschine ist fertig, der Trockner läuft auch nicht mehr, ist jedoch noch mit feuchten fremden Handtüchern befällt. Ich überlege nicht lange. Ich muss hier endlich mal vorankommen. Dreist leere ich den Trockner und gebe unsere noch sehr nassen Klamotten hinein. Die Schleuder scheint ihre besten Tage hinter sich zu haben. Die Gummidichtung des Trockners sitzt nicht in ihrer Führung. Ich scheitere kläglich bei dem Versuch, das zu richten. Na, das kann ja heiter werden. Wann soll denn bitte diese Geschichte enden? Wie oft muss ich noch die Treppen bezwingen? Der Abend ist doch zum Erholen da. Auf der Hand wäscht es sich schneller!
Leicht säuerlich komm ich zurück. Wir setzen uns an einen der Tische und bestellen unser Essen. Ruddi liegt mittlerweile müde in seiner Tasche und will nur noch seine Ruhe haben. Wir haben gerade unsere Vorsuppe gegessen, als Edit - Hermanns neue Errungenschaft - sich zu uns gesellt. Flugs bestellt auch sie ihr Essen. Sie ist Ungarin und spricht ausgezeichnet Englisch. Wir sind uns auf Anhieb sehr sympathisch. Sie teilt uns mit, dass Ina nicht kommen wird. Liz, die junge Herbergsmutter ist rührend um uns bemüht. Sie kocht alles was wir uns wünschen, solange es die Vorratsschränke hergeben.
Wir drei haben von Anfang an richtig viel Spaß an der Freude. Es passieren so manche Missverständnisse, wenn man sich mit Händen und Füßen, anstatt in der Muttersprache unterhält. Die Stimmung an unserem Tisch ist bombastisch. Das hat auch Dagmar erkannt und kommt ohne mit der Wimper zu zucken zu uns, legt die Hand auf den noch freien Stuhl und stellt die „böse“ Frage: „Ist hier noch frei?“ Spontan bekommt sie keine Antwort. Ein kurzer Rundum-Blick zeigt mir mehrere freie Tische und ich antworte: „Nein, leider nicht.“ Sie gibt nicht auf: „Wirklich nicht?“ Hermann schaut mich fragend an und ich schwindele: „Nein! Ina will doch noch kommen, oder?“ Dagmar verzieht sich daraufhin wortlos.
Edit guckt mich verunsichert an und vergewissert sich, dass sie uns nicht stört. Wir erklären ihr die Situation. Sie atmet auf: „Ach so! Ich habe mich schon gewundert. Normalerweise freue ich mich über jeden Pilger, den ich kennenlernen darf. Ihr doch auch, oder?“ Wir bestätigen das voller Inbrunst, sind uns aber einig, dass an unserem Tisch immer nur grundsätzlich positive Menschen sitzen sollen. Natürlich darf jeder mal schlecht drauf sein - dann wird er liebevoll und mit viel Verständnis wieder aufgebaut. Aber es gibt auch Menschen wie Dagmar, die in der Negativstimmung bleiben wollen. Ist in Ordnung - aber dann bitte nicht mit mir!
Es ist sehr spät heute Nacht, als wir die lustige Runde auflösen. Ich hoffe von Herzen, dass ich Edit noch oft wiedersehe. Sie ist unheimlich lieb und humorvoll. Wir sind die letzten Gäste. Tom schläft schon fast hinter seiner Theke im Stehen. Jäh wird er aus seinen Träumen gerissen, als Edit sich vom Tisch erhebt. Sie gibt der Spanischen Wand, die hinter unserem Tisch stehend den Raum unterteilt, mit ihrem Po-Po einen kräftigen Schubs und die fällt samt Dekoration polternd um. Wir sind vom Rotwein mehr als albern und anstatt uns um den Wiederaufbau zu kümmern, machen wir uns vor Lachen fast in die Hosen. Ruddi wirft uns einen vorwurfsvollen Blick aus seiner Tasche heraus zu: „Müsst Ihr so einen Krach machen? Es gibt hier auch Menschen und Hunde die schlafen wollen! Also bitte!“ Weil wir uns nicht mehr halten können, lassen wir uns nochmal auf die Stühle fallen und antworten über den Tisch gebeugt einstimmig mit einem verständnisvollen: „Pschschscht!“ Tom kann sich auch nicht ernst halten und stellt das wackelige Etwas wieder ordentlich auf. Gott sei Dank ist nichts zu Bruch gegangen. Danke, Tom, für Deine Geduld!
Ich möchte zum Abschluss dieses Tages noch anmerken, dass die Wäsche bei weitem nicht trocken ist, als wir ins Bett gehen.
Montag, 21. April 2008
Lorca (140 Einwohner), 483 m üdM, Navarra
7. Etappe bis Villamayor de Monjardín 18,6 km
Hermann steht wieder so gegen sechs Uhr auf. Heute ist er nicht ganz so rücksichtsvoll und ich werde wach. Er packt ziemlich lautstark seinen
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