5 1/2 Wochen
von oben herab an. Ich kann sie verstehen: Ich habe Ruddi unter meinem leuchtendroten Poncho versteckt. Ich bin sehr präsent in diesem Outfit und erreiche sie zudem quasi auf allen Vieren. Das muss ein kläglicher Anblick sein! Ich frage sie mit wenigen Worten nach einem freien Zimmer. „Ja, haben wir. Ein Doppelzimmer kostet 80 Euro.“ Was für eine Auskunft!!! Ich zögere einen Augenblick, suche nach den richtigen Worten, habe das Gefühl, Gewalt anwenden zu müssen. Die nette Dame scheint meine aggressiven Schwingungen zu empfangen: „Zwanzig Meter weiter auf der anderen Straßenseite, ist eine Pension.“ Nur eine Sekunde später wäre ich zu allem bereit gewesen.
So schnell es eben geht, begeben wir uns zu dieser Pension. Die 20 Meter kommen mir vor wie 200. Ruddi wiegt momentan gefühlte 15 Kilo, statt fünf in seinem Notfallnetz. Er brummt ganz leise, wie ein Teddy, dem man auf den Bauch drückt und ich glaube zu verstehen: „Ich würde lieber selber laufen, aber die dürfen mich ja wohl nicht sehen. Ich mache mich auch ganz leicht. Gib Gummi! Nicht, dass die uns die Tür vor der Nase zuschließen. Los! Wir schaffen das!“
Er hat Recht. In letzter Sekunde erreichen wir die Eingangstür. Der junge Wirt will uns gar nicht mehr rein lassen. Aber als er mitbekommt, dass wir ein Zimmer mieten wollen, geht alles sehr schnell. Er nennt uns den Preis und fragt ob wir einverstanden sind. „Ja!!!“ Er holt einen Schlüssel und rennt los. Wir sollen ihm folgen. Was denkt der denn eigentlich, wie das gehen soll! Ich lasse mich auch nicht beeindrucken und gehe in meinem „Tempo“ hinterher. Hufe scharrend wartet er drei Häuser weiter an der Eingangstür. Kaum haben wir ihn erreicht, hastet er die Treppen zur zweiten Etage hinauf und öffnet uns die Zimmertür. Ein bisschen später sind auch wir soweit. Er ist wirklich sehr in Eile. Als wir fragen ob es noch was zu Essen gibt, macht er große Augen. Die Küche würde um 22 Uhr schließen. Na toll, es ist jetzt genau 22 Uhr. Und nun? Wir sterben den Hungertod, wenn wir ihn nicht davon überzeugen können, uns noch irgendwas zu kochen. Er stimmt zu, unter der Voraussetzung, dass wir sofort mitkommen. Wir können noch die fünf Minuten rausschlagen, die ich für uns alleine brauche, um Ruddi aus dem Netz in die Tasche zu verlegen. Alles geht blitzschnell. Er beschwört uns, auf keinen Fall länger zu brauchen, er würde sonst das Restaurant schließen. Dann ist er genauso schnell wieder weg, wie er her gelaufen ist. Mann, hat der ein Temperament!
Es ist superlaut im Lokal, obwohl nur vier Erwachsene und zwei kleine Kinder zusammen sitzen. Na ja, das heißt: Die Kinder sitzen nicht, sie veranstalten einen Hürdenlauf durch das ganze Lokal. „Über die Stühle und unter die Tische“ lautet ihr Auftrag. Und sie geben alles, damit man sein eigenes Wort nicht versteht. Als wäre das nicht genug, schreien die Mütter und Väter sich an und der Fernseher läuft auf volle Lautstärke. Ein Gutes hat es: wenn Ruddi bellen sollte, weil die Kinder zu nahe an seine Tasche kommen, hört es sicher niemand. Ich frage mich, wie ich das durchstehen soll. Ich habe mich darauf gefreut, ganz in Ruhe etwas zu essen und wieder zu Kräften zu kommen. Jetzt passiert genau das Gegenteil.
Am anderen Ende des Lokals sitzt ein alter Spanier, der mich schon die ganze Zeit beobachtet. Er trinkt einen Kognak nach dem anderen. Ich habe gerade erst meinen Teller Makkaroni vor mir stehen, die ersten Bissen probiert, als er auf unseren Tisch zukommt. Er spricht mich an. Ich verstehe gar nichts - und ich will auch nicht. Er lässt nicht locker, bedrängt mich regelrecht, hört nicht auf zu reden. Er kommt mir sehr nah, wie es ein Fremder nicht tun darf. Der Mann stinkt nicht nur nach Alkohol, sondern zu allem Übel auch noch nach Schweiß und voller Hose. Mit einem bösen Blick und fester Stimme will ich ihn loswerden. Aber der denkt nicht daran, im Gegenteil: er holt sich einen Stuhl und setzt sich ungefähr einen halben Meter von unserem Tisch entfernt hin. Der Wirt schaut zu mir rüber und gibt mir zu verstehen, dass es ihm Leid tut. Aber in Spanien gilt der Respekt in jedem Fall den Alten, die darf man nicht maßregeln. Ich drehe ihm meinen Rücken zu und lass ihn einfach reden - lieber würde ich die Zecke platt hauen.
Mir ist tatsächlich der Appetit vergangen. Ich kann keinen einzigen Bissen mehr zu mir nehmen. Ich habe einen klassischen „Kloß im Hals“. Das kenne ich im normalen
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