5 1/2 Wochen
wollte, konnte sie ja nicht ahnen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, mit ihm zusammen in ein und demselben Wasser zu sein. Darüber ärgert sie sich immer noch. Herbergen mit Swimmingpool sind höchstselten. Den Luxus sehen wir hier das erste Mal. Wir nehmen sie liebevoll ein bisschen „hoch“: „Der ist doch schön sauber geworden in dem Wasser, wo ist denn Dein Problem. So schlimm war es auch wieder nicht. Solange der nicht rein pinkelt, kannst Du Dich wirklich nicht beschweren.“ Das Ding ist, dass der Mann nur zwei Tische weiter beim Abendessen sitzt und nach dem Schwimmen sehr gepflegt und zufrieden aussieht. „Guck doch mal, wie gut ihm das getan hat.“
Sabrina versteht den Spaß und findet ihre gute Laune ruck zuck wieder. Wir bestellen unser Pilgermenü. Als die junge Herbergsmutter uns gut gelaunt das Essen serviert und Ruddi nochmal übers Köpfchen streichelt, frage ich sie nach einem Zimmer. „Ja, gerne. Wir bieten Doppelzimmer für 30 Euro die Nacht an. Der Hund ist auch kein Problem.“ Was!? So einfach geht das?! Ich schlage sofort ein, ohne zu wissen, welche Art Zimmer mich erwartet. Die fehlenden Kilometer werde ich schon wieder aufholen.
Das Essen ist super. Wir alle genießen es in geselliger Runde. Nebenbei erfahre ich, dass Achim, Oliver und Sabrina sich erst in Saint Jean Pied de Port kennengelernt haben. Und ich dachte, sie kennen sich schon seit Jahren. Wieso wundert es mich? Hermann und ich wurden schließlich auch schon als Ehepaar angesehen. Pilgern verbindet eben im Zeitraffer.
Da kommt eine Frau an unseren Tisch. Es handelt sich um Dagmar, wie ich von den anderen im Flüsterton erfahre. Warum gucken die denn so komisch genervt? Wir freuen uns doch sonst immer über jeden neuen der zu uns stößt. Dagmar fragt, ob noch ein Platz an unserem Tisch frei wäre. Achim macht sich sofort breit und gibt ihr augenblicklich deutlich zu verstehen, dass der Platz auf der Bank, auf der Ruddi zwischen uns liegt, auch besetzt ist. „Sorry, aber NEIN! Es ist kein Platz mehr bei uns.“ Ich wundere mich sehr. Auch die anderen winken ab. Was sind die denn auf einmal alle so breit in der Figur? Dagmar will sich einen Stuhl an den Tisch heranziehen, aber niemand weicht auch nur einen Millimeter. Sie lässt sich nicht wirklich beirren und stellt den Stuhl quasi in zweiter Reihe mit an unseren Tisch. Niemand meiner Freunde schenkt ihr auch nur die geringste Beachtung. Sie machen weiter, als gäbe es sie nicht. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wie können die so kalt und gemein sein? Aber wenn sich sechs Leute einig sind, sollte ich mich, als Später-dazu- gekommener erst mal raushalten. Nach einer geraumen Weile gibt die Neue auf, dreht sich samt ihrem Stuhl einfach um und schließt sich den Leuten am Nebentisch an. Die sehen aber auch nicht gerade erfreut aus.
Leise frage ich Achim, was das denn soll. Er zieht ein Gesicht und sagt: „Lass Dich bloß nicht auf die ein. Die ist so mies drauf, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Die findet alles ganz große Scheiße. Die redet und redet ganz übel ohne Punkt und Komma über den Jakobsweg, die Herbergen, das Essen und die Spanier. Das Laufen sei ja viel zu anstrengend. Die Wege sind viel zu schlecht: ,da müssen die dringend was dran tun‘. Und alle sind so unfreundlich und bedrohlich. Dabei fährt sie nach eigener Aussage fast immer mit dem Bus. Wir haben ihr nahe gelegt, doch einfach abzubrechen und nach Hause zu fahren. Das überlegt sie ja schon seit mehreren Tagen, aber sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass das alles doch noch besser wird.“ Ungläubig schüttele ich den Kopf und beschließe, mich mit solchen Menschen und Aussagen nicht weiter zu beschäftigen. Plötzlich fällt mir wieder ein, dass ich Dagmar in Lorca an der Theke kennengelernt habe. Sie hatte Hermann an den Rand des Wahnsinns getrieben. Oha, die hatte ich total verdrängt!
Als die Sonne komplett untergegangen ist, wird es sehr frisch draußen und wir entscheiden, uns zur Nachtruhe zu begeben. Es wird noch viel umarmt, gedrückt und geherzt bevor sich jeder zu seinem ihm zugewiesenen Schlafplatz begibt. Die freundliche Herbergsmutter zeigt mir mein Zimmer. Es liegt in einem Nebengebäude, in dem sich sechs bis zehn Hotelzimmer befinden. Ich genieße den Anblick meines kleinen vierbeinigen Freundes, der munter und ohne Leine neben uns den Flur entlangläuft, ganz öffentlich und für alle sichtbar. Das müsste immer so gehen - das wäre toll!
Das
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