5 1/2 Wochen
Zimmer ist ein Traum. Sehr groß, sehr sauber, sehr modern, zwei große Betten mit kuscheligen Decken und Kopfkissen. Der Raum hat mehrere Fenster, so dass ich lüften kann, was das Zeug hält. Ich brauche nachts viel frische Luft. Das Badezimmer ist der Oberknaller. Es gibt eine Massageduschkabine. Da freu ich mich am meisten drauf. Als ich alleine bin, versorge ich zuerst einmal Ruddi. Der darf sofort in sein Taschen-Bett. Mittlerweile besteht er abends darauf, dass es meine erste Amtshandlung ist, seine Tasche aus dem Rucksack zu kramen und seinen Wassernapf aufzustellen. Danach braucht er mich nicht mehr. Dann habe ich frei.
Also, diese Duschkabine...! Die schreit förmlich nach mir. Innerhalb von wenigen Minuten stehe ich voller Vorfreude darin. Ist ganz schön kalt abends. Die Heizungen haben die Spanier im Allgemeinen aus. Ist ja auch kein Problem, wenn man unter einer heißen Dusche steht. Aber hier spielt mir die Technik einen Streich. Das Ding muss ich erst mal ans Laufen bringen. Es gibt so viele Knöpfe, die man drehen oder drücken kann. Aber wofür sind die denn im Einzelnen? Keine Ahnung! Hilfe! Ich erfriere! Kurz vor dem Aufgeben kommen dann doch die ersten Wassertropfen von oben. Die seitlichen Düsen bleiben trocken. Na ja, macht nix! Nach so langem Vorlauf freue ich mich unendlich, dass überhaupt warmes Wasser läuft. Ich genieße es minutenlang, einfach nur dazustehen und mich aus dem großen Duschkopf berieseln zu lassen.
Frisch geduscht und unglaublich zufrieden falle ich ins Bett. Ich sehe mir nochmal die Fotos des Tages an und schreibe ein paar Notizen in meinen Reiseführer. Jetzt wo ich komplett zur Ruhe gekommen bin, spüre ich den Anflug einer Erkältung. Die kann ich ja wohl überhaupt nicht gebrauchen. Ich gebe mir noch ein paar Minuten Reiki und schlafe darüber ein.
Sonntag, 27. April 2008
Belorado (2132 Einwohner), 770 m üdM, Provinz Burgos
13. Etappe bis Villafranca Montes de Oca, 12,2 km
Wesentlich später als geplant, erst gegen halb neun, komme ich wieder zu mir. Ich habe seit dem 12. April nicht mehr so tief geschlafen. War das vielleicht ein Glas Wein zu viel gestern Abend? Ganz sicher liegt es auch daran, dass die Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen nachgelassen haben. Mein Körper macht mir zwar immer noch sehr deutlich, dass ich irgendwas tue, das er nicht kennt und gewöhnt ist, aber ich werde nachts nicht mehr von jeder Bewegung wach und kann aus dem Bett steigen, ohne vorher einen genauen Ablaufplan zu machen und die Leute in den angrenzenden Zimmern mit meinem Gestöhne zu irritieren.
So gut erholt und abreisefertig verlasse ich dieses schöne Zimmer. Jetzt geht es erst mal zum Frühstück. Auf dem kurzen Weg dorthin, erhalte ich eine SMS von Achim: „Ruddi’s Leine liegt auf der Theke!“ Ach, guck mal an, die habe ich noch gar nicht vermisst. Danke für Deine Fürsorge, Achim! Ich hätte mich sehr geärgert, wenn es mir erst im Ort aufgefallen wäre. Der Pilger ist zu vielem bereit, aber niemals zum Zurücklaufen, keinen einzigen Kilometer. Nachdem ich die Leine in Ruddi’s Notfallnetz gepackt habe, lasse ich mir wie immer meinen Pilgerpass abstempeln. Ich will ja schließlich in Santiago de Compostela auch die Pilgerurkunde bekommen. Dafür muss ich natürlich nachweisen, dass ich den Camino auch bezwungen habe. Hierfür genügt es zwar, die letzten 100 Kilometer gelaufen zu sein, aber die sollen schon wissen, wo ich herkomme und wie lange ich unterwegs war. Ich bin nämlich ganz schön stolz auf das, was ich hier tue.
Ich setze mich an einen freien Tisch in dem großen Frühstücksraum und lasse mir viel Zeit mit meinem Café con leche und dem leckeren Croissant. Meine Freunde sind mit Sicherheit schon lange auf dem Weg. Jedenfalls ist niemand von ihnen zu sehen. Ich gebe mich meinem Wanderführer hin - also... dem Buch. Vor allen Dingen sehe ich nach, in welchem Ort es Pensionen oder Hotels gibt. Die gibt es nämlich nicht überall. Danach teile ich dann meiner persönlichen Etappe die Gesamtlänge zu, die ich voraussichtlich bewältigen werde und sollte, um mit der restlichen Zeit auch mein Endziel erreichen zu können. Gestern haben mir ja einige Kilometer gefehlt. Ich versuche, mir deswegen keinen Stress zu machen. Es kommen auch noch andere Tage, an denen ich vielleicht deutlich weiter laufen kann. Es wird ja nicht immer die Sonne so knallen, wie während der letzten Touren und es muss ja auch mal Spaziergang- Etappen geben, die leichter zu
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