5 1/2 Wochen
immer ganz neugierig in ihn hinein und sind - wie ich - sehr angetan von ihm. Er ist so anders als die, die üblicherweise in den Bars von den Pilgern studiert werden. Die Etappen sind sehr gut und anschaulich beschrieben. So weiß man ziemlich genau, was einen in den nächsten Stunden erwartet. Es wird erwähnt in welchem Ort was anzutreffen ist. Herbergen, Pensionen, Hotels, Cafés, Restaurants, Geschäfte, Apotheken und vieles mehr werden aufgeführt. Außerdem gewinnt man einen Eindruck über die Wegbeschaffenheit der einzelnen Abschnitte. Ebenso wird deutlich gemacht, ob es bergauf oder bergab geht. Dieser Reiseführer ist mein persönlicher Schatz - der ist immer „am Mann“.
Nach vier Kilometern führt der Jakobsweg schön an der Nationalstraße entlang. Das wird sich auch die nächsten zwölf Kilometer nicht großartig ändern. Hier muss ich natürlich meinen Hund an der Leine führen. Es fahren zwar nicht ständig Autos, aber wenn, dann sind sie viel zu schnell und meistens sehr groß. Ich muss an meinen Lieblings-Entertainer denken. Er beschreibt in seinem Buch sehr anschaulich, dass er manchmal Angst hatte. Das kann ich nur bestätigen! Ich gehe am linken Fahrbahnrand so weit wie nur möglich links. Ich empfinde dieses Laufen als sehr anstrengend und nervenaufreibend. Das ist eine neue Pilgererfahrung. Bis jetzt führte der Camino Francés fast ausschließlich durch Felder und Wälder. Befahrene Straßen wurden höchstens mal überquert oder für wenige 100 Meter betreten. Ich muss es nehmen wie es ist. Die Sonne brennt. Der Himmel ist stahlblau. Mir ist heiß und mein Hund versteht die Welt nicht mehr. Es gibt nur wenig Schatten. Ich mäßige also mein Tempo, damit wir unsere Energien gut über den Tag verteilen. Ich träume wiedermal von einem Café con leche. Die nächste Bar gehört mir - zumindest für ein Stündchen. Ich habe Sehnsucht nach einem Schwätzchen mit einem „Kollegen“. Auf dem Weg habe ich wie üblich weit und breit keinen anderen Pilger mehr entdecken können, seit ich Edit begegnet war. Die warten alle in der nächsten Bar auf mich, ne?!
Erst gegen 14 Uhr ist es endlich soweit. Ich schätze, dass ich bis jetzt um die zehn Kilometer gelaufen bin. Ich entdecke das kleine Café auf der anderen Seite der Nationalstraße als ich in der Nähe von Villamayor del Rio bin. Hoffentlich handelt es sich nicht um eine Fata Morgana. Das sieht so einladend und gemütlich aus - passt gar nicht ins Bild! Vor dem Lokal stehen Tische, Bänke und Stühle mit dicken Polstern unter gelben Sonnenschirmen. Es scheint sich um ein vornehmes Lokal zu handeln. Ich muss dahin, koste es was es wolle. Wir beide, Ruddi und ich brauchen dringend eine Pause, momentan geht nichts mehr. Mit letzter Kraft schleppe ich mich die wenigen Stufen zu dieser Terrasse hinauf. Die üblichen körperlichen Schmerzen der ersten Pilgertage habe ich heute nicht mehr. Selbst die Füße spielen relativ locker mit. Es ist anders als bisher. Ich fühle mich völlig ausgelaugt, erschöpft und überhitzt. Ich komme mir vor, als sei ich auf einem Wüstentrip gewesen und erreiche jetzt kurz vor dem Tod doch noch die lang ersehnte rettende Oase. Es würde mich nicht wundern, wenn Kamele des Wegs kämen.
Ich stelle meinen Rucksack in den Schatten und komme mir ohne diese zwölf Kilo leicht wie eine Feder vor. Ruddi legt sich sofort auf seine Decke, nachdem er Wasser getrunken hat. Ich setze mich auf einen der weichen Stühle mit hoher Rücken- und Armlehne und kann mein Glück kaum fassen. Ich beobachte, wie ständig Autos angefahren kommen, unten auf dem Parkplatz halten und die Fahrer in diesem Lokal verschwinden. Mit Tüten bepackt kommen sie wieder raus. Durch das große Fenster habe ich ein bisschen Einblick in die Räumlichkeiten. Ich erkenne, dass hier wohl hauptsächlich Wein, aber auch kleine Feinschmecker-Köstlichkeiten verkauft werden. Hier draußen bin ich der einzige Gast. Weit und breit kein Pilger in Sicht. Na, dann bin ich eben mal die erste, die anderen kommen sicher gleich. Egal wer da auch kommt: Ich will ein bisschen reden.
Nach einer Weile fragt ein fein gekleideter, freundlich lächelnder Mann nach meinen Wünschen. Ich bestelle einen Fruchtsaft und einen Café con leche. Als er mir die Getränke kurz darauf serviert, entdeckt er Ruddi und ist entzückt. Mit Händen und Füßen verständigen wir uns darüber, wie ein so kleiner Hund einen solchen Weg verarbeitet.
Ich komme dahinter, dass ich es mit dem Besitzer
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