5 1/2 Wochen
Herzlichkeit erleben kann - selbst dann, wenn die Sprache fremd ist. Ich muss nur offen sein. Beschwingt setze ich meinen Weg entlang der Nationalstraße fort. Nichts stört mich mehr. Ich behalte meine gute Laune, egal was da (angefahren) kommen mag. Einen Kilometer vor Belorado kreuze ich die Nationalstraße und gehe weiter auf einem guten Landwirtschaftsweg. Ruddi darf endlich wieder von der Leine. Nach der langen Pause wieder fit läuft er munter vor mir her.
Gleicher Tag (insgesamt 239,4 km gelaufen)
Belorado (2132 Einwohner), 770 m üdM, Provinz Burgos
Herberge mit Hotelzimmern, Doppelzimmer, 30 Euro
Völlig in positiven Gedanken versunken, höre ich ein Handy klingeln. Ich weiß das Geräusch zunächst gar nicht zuzuordnen. Handy, was ist das? Kann man mit dem Teil auch telefonieren? In den letzten Tagen habe ich lediglich Fotos und Videos damit gemacht. Erstaunt und gespannt melde ich mich und der Anrufer sagt mit tiefer Stimme: „Nur noch eine Minute, dann bist Du bei uns. Der Wein ist schon bestellt.“ Mir fällt erst mal nichts dazu ein. Ich habe Schwierigkeiten das ganze einzuordnen. Als ich meinen Blick weite, sehe ich 100 Meter von mir entfernt, oberhalb des Weges, ein großes einladendes Gebäude mit vielen wehenden Fahnen und noch mehr Leuten auf der vorliegenden Terrasse.
Einige Menschen winken mir wild zu. Etwas irritiert winke ich vorsichtig zurück. Oder ist da jemand hinter mir und ich bin gar nicht gemeint?! Ich drehe mich kurz um, kann aber niemanden entdecken. Am Telefon höre ich schallendes Gelächter: „Hallo...!? Erde an Birgit...! Wir warten schon so lange auf Dich! Leg mal den nächsten Gang ein und beweg Dich hier rauf!“ Endlich erkenne ich Achims Stimme. Ich schalte in den Turbogang und bin innerhalb von Sekunden an dem Tisch, an dem meine Pilgerfreunde sitzen. Oliver Achim, Sabrina, Sören und Pia fallen mir um den Hals. Ruddi macht da einfach mal mit, springt ausgelassen an ihnen hoch und holt sich ein „Küsschen auf die Stirn“ ab. „Wo warst Du? Wir sitzen hier schon seit Stunden!“ Ich schaue mir den Tisch genauer an. Es ist nicht zu übersehen, dass sie schon eine ganze Weile mit Bier und Wein feiern. Ich muss natürlich zuerst einmal Bericht erstatten, wie es mir so ergangen ist.
Mann, können die Pilger albern sein! Wenn wir zusammenkommen, sind wir immer außer Rand und Band. Ich erfahre, dass es sich hier um eine Herberge handelt, die auch Hotelzimmer anbietet. Meine Freunde bleiben diese Nacht in diesem Haus und haben bereits Quartier bezogen. Edit ist und bleibt zu meiner großen Freude auch. Sie ist in den Ort gegangen, um an der allabendlichen Pilgermesse teilzunehmen. Wir befinden uns nur wenige hundert Meter vor Belorado. Ich wende ein, dass ich heute erst gute 16 Kilometer gelaufen bin. Das ist zu wenig. Ich muss noch mindestens einen Ort weiter, damit mein Schnitt nicht kaputt geht. Am Ende bleibt mir zu wenig Zeit um mein großes Ziel zu erreichen.
Sie geben gemeinsam alles, um mich zu überreden: „Es ist so schön hier! Wir haben doch so viel Spaß! Wo wir doch nun mal alle zusammen sind...! Essen können wir auch vor Ort, vom Frühstück mal ganz abgesehen. Die Herbergsleute sind so nett und die Preise stimmen. Komm, gib Dir nen Ruck und nimm ein Zimmer.“ Ich wende ein: „Ob ich eins bekäme ist fraglich. Die haben meinen Hund gesehen.“ Sabrina sagt: „Die Besitzerin hat ihm doch sogar schon Wasser und ein Stück Wurst gebracht. Sie hat bestimmt nichts gegen ihn.“ Ich will es mir beim Essen nochmal überlegen.
Zu guter Letzt stößt Edit auch endlich zu uns. Wir freuen uns, dass wir so komplett an diesem Abend zusammen sind und bestellen erst mal eine Runde Bier und Wein. Temperamentvoll stoßen wir an und benehmen uns ein bisschen wie ausgelassene Kinder. Unsere gute Laune ist für die Leute an den Nachbartischen ansteckend. Immer öfter sehen und hören wir auch die anderen „müden“ Pilger lachen.
Es gibt sogar einen Swimmingpool in dieser Herberge. Sabrina erzählt, dass sie heute Nachmittag fast hineingesprungen wäre, als ein sehr dicker und sehr, sehr ungepflegter Mann an ihr vorbeirannte und mit einer Arschbombe im kühlen Nass aufschlug. Sie hatte ihn kurz vorher im Schlafsaal eine Weile beobachtet und wusste, dass er nach der Hitze und Anstrengung des Wandertages keine Dusche genommen hatte. Sie hatte also seinen Duft wahrgenommen und sich geekelt. Sie waren zeitgleich rausgegangen. Dass der in diesem Zustand in den Pool
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