5 1/2 Wochen
einfach mit in die Bar kommt, die sich mir da anbietet. In der letzten halben Stunde hat es ein Unwetter gegeben. Die beiden Vierbeiner gingen locker als „Wildschweine“ durch, so wie die aussehen. Es tut mir in der Seele weh, denn das mir zugelaufene muss draußen bleiben.
Vor der Eingangstür der Bar, rede ich meinem neuen treuen Begleiter gut zu. „Sei mir nicht böse, aber ich muss Dich im Regen stehen lassen. Geh wieder nach Hause oder, wenn Du hier in Agés Freunde hast, geh die besuchen. War nett mit Dir, mach’s gut. Adiós.“ Ich schaffe es auch tatsächlich, ohne ihn die Bar zu betreten. Der hat mich verstanden. Ich schaue ihm nach, bis er um die nächste Ecke gebogen ist.
Das hier ist gar keine normale Bar. Es ist der Schankraum einer Herberge. Es herrscht reges Treiben. Da es immer noch sehr stark regnet und der Himmel bedrohlich aussieht, kommen alle Pilger herein und machen sich ihr Bett klar. Die Herbergsleute sind richtig gut drauf. Mein Ruddi bekommt einen Teller mit Wasser hingestellt und darf sich, soweit die Leine reicht, frei bewegen. Die Wirtin fragt, ob sie mich für die Nacht einschreiben soll. Ich lehne ein bisschen traurig ab, denn die Stimmung und Atmosphäre sind wirklich toll. Aber ich kann nicht schon wieder eine Etappe vorzeitig beenden. Ich registriere begeistert, dass sie mich hier, wohlgemerkt in einer Herberge, zusammen mit meinem Hund aufgenommen hätten.
Nach einer guten Stunde und einer fantastischen Tagessuppe, mache ich mich an die letzten Kilometer für heute. Es regnet immer noch, aber mein Poncho hält mich und meinen Rucksack trocken. Da es warm genug, das Ziel schon nah ist und sich mein Körper so langsam aber sicher auch nach dem Feierabend sehnt, lasse ich Ruddi trotz Regen auf seinen eigenen Beinen laufen. Gerade als ich den Ort verlassen will, gesellt sich unser neuer vierbeiniger Freund wieder zu uns und läuft mit, als wäre es das normalste von der Welt. Er hat also draußen auf uns gewartet. So langsam mache ich mir Sorgen darüber, dass er nicht mehr nach Hause zurückfindet.
Auf einer ruhigen asphaltierten Nebenstraße setzen wir unseren Weg nach Atapuerca fort. Im Ort angekommen, verstecke ich meinen „gute-fünf-Kilo-Läufer“ in seinem Notfallnetz unter meinem Poncho. Ich darf kein Risiko eingehen, ich muss in diesem Ort ein Zimmer bekommen. Laut meinem Reiseführer bietet sich die nächste Übernachtungsmöglichkeit in einer Pension erst nach weiteren 20 Kilometern.
Gleicher Tag (insgesamt 270,2 km gelaufen)
Atapuerca (147 Einwohner), 956 m üdM, Burgos
Casa Rural, Doppelzimmer, 40 Euro pro Person ohne Frühstück
Mit Ruddi unterm Poncho mache ich mich auf die Suche. Höre ich da meinen Namen? Tatsächlich! Ich raste aus vor Freude, als Paul vor mir steht. Mit dem Schalk im Nacken sieht er kritisch an mir herab und sagt: „Wie siehst Du denn aus? Hast Du ein begehbares Zelt, aus dessen Kamin Du den Kopf stecken kannst, um den Überblick zu behalten? Und einen ,Extra-Hund’ hast Du auch noch dabei! Wie konnte das passieren?“ Wir brechen gleichzeitig in schallendes Gelächter aus. So eine Frechheit, ich versuche hier unseren Arsch zu retten, und der Ami macht sich lustig über mich!
Paul will mir sofort „seine“ Herberge zeigen, weil er weiß, dass es noch freie Betten gibt. Er zieht mich einfach an der Hand mit dorthin, ich habe keine andere Wahl, als ihm zu gehorchen. Er ist fest davon überzeugt, dass sie mich mit Hund nehmen. Es handelt sich um eine schnuckelige kleine Herberge. Die Leute sind sehr lieb, aber mit zwei Hunden kann ich dort nicht übernachten. Der Neue tut aber auch wirklich so, als kenne er Ruddi und mich bereits seit seiner Geburt. Woher wissen die eigentlich, dass es einen zweiten Hund gibt? Meiner ist doch inkognito unterwegs.
Ein prüfender Blick an mir herab klärt das Phänomen augenblicklich auf. Bei dem Dauerlauf, den Paul mit mir hingelegt hat, ist mir dummerweise nicht aufgefallen, dass der triefnasse, zuckersüße Ruddi-Kopf aus dem, nicht ganz geschlossenen Poncho- Halsausschnitt gerutscht ist. Ich kann es den Herbergsleuten nicht klar machen, dass mir lediglich dieser kleine Schwarze gehört. Sie schicken mich zu ihren Nachbarn in ein Casa Rural. Die haben bestimmt noch ein Zimmer frei. Ich bin begeistert und begebe mich sofort dorthin.
Bevor ich eintrete, kontrolliere ich nochmal mein Erscheinungsbild. Ruddi ist vollständig im „Zelt“, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Ich werde ihn
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