5 1/2 Wochen
corazón. (Mein Herz, mein Herz).“ Ich will damit sagen, dass mein Hund mein Herz ist und bemerke dabei nicht, dass der nette Señor etwas ganz anderes wahrnimmt, als ich ihm sagen möchte. Ich verdrehe die Augen, aus Verzweiflung, weil ich nicht weiß, wie ich jetzt weitermachen soll. Er deutet mein Gebaren als drohenden Herzanfall. Kein Wunder, denn noch bin ich für ihn ja auch eine sehr übergewichtige Matrone in einem feuerwehrroten Poncho unter dem hinten ein Riesenrucksack und vorne ein Hund versteckt sind, die zudem auch noch den ganzen Tag gelaufen ist und so unglaublich unter einem zugelaufenen Hund leiden muss. Ich sehe ihm an, dass er zu allem bereit ist, mich aufzufangen, auch wenn er unter meinem, allem Anschein nach, unglaublichen Gewicht zusammenbrechen würde.
Ich fahre fort mit: „Señor, mira, mi corazón, mi pequeño...(schauen Sie mal, mein Herz, mein kleiner...)“ Mein Poncho reicht mir bis zu den Waden. Ich bücke mich, um den Saum greifen zu können und rolle Stück für Stück ganz langsam meinen Poncho auf. Zunächst bekommt er in Hüfthöhe einen Knubbel, den er mit Sicherheit in dem herunterhängenden Netz nicht zuordnen kann, zu sehen. Ich komme jetzt wieder in die Aufrechte und sehe ihm schweigend ins Gesicht, bevor ich das Geheimnis endgültig lüfte, eine Augen werden immer größer, die Spannung ist unerträglich, ich rolle und rolle Zentimeter um Zentimeter den tropfenden Poncho weiter hoch. Und da, in Brusthöhe, wo der Señor bestimmt den allergrößten Busen erwartet, den er je zu Gesicht bekommen hat, sehen ihn zwei unglaublich traurige, funkelnde, braune Hundeaugen verzweifelt an. Mir bleibt nur noch zu sagen: „Por favor, señor, mi corazón, mi pequeño perro, por favor! (Bitte, Señor, mein Herz, mein kleiner Hund, bitte).“ Mehr Worte braucht er nicht. Es dauert einen Augenblick, bis er realisiert, was hier gerade geschieht. Er ist wahrscheinlich unglaublich erleichtert, dass es sich unter meinem Poncho lediglich um einen kleinen Hund handelt und ich ihm nicht meine weiblichen Reize offenbart habe. Zu meiner großen Überraschung und totalen Erleichterung lächelt er Ruddi liebevoll an, spricht beruhigende spanische Worte zu ihm und streichelt ihm über das regennasse Köpfchen. Dann sieht er mich voller Verständnis an und macht mir klar, dass seine Frau auf keinen Fall etwas davon erfahren darf. Blitzschnell schließe ich „die Rollladen“ wieder. Die Wahrheit hat wieder mal gesiegt. Danke!
Er zeigt mir mein Zimmer, lächelt mich noch einmal kopfschüttelnd an und lässt mich alleine. Das ganze „Paket“ ist auf jeden Fall sein Geld wert. Ich fühle mich sauwohl und bin unglaublich erleichtert, dass ich mit der Wahrheit herausgekommen bin. Nach dem Duschen gehe ich runter zum Essen. Dieses Casa Rural ist von allerhöchster Güte. Es ist sehr gepflegt und mit antiken Möbeln eingerichtet. Die Tische sind geschmackvoll eingedeckt. Die überaus resolute Dame des Hauses, weist mir einen Platz an einem Vierertisch zu. Hoffentlich bleibt Ruddi ruhig in seiner Tasche. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, die Señora würde mir gewaltig die Leviten lesen, wenn sie merkt, dass ich einen Hund dabei habe.
Mora, Eileen und Beatrice, drei reizende Ladies so um die 60 aus Irland, sitzen bereits bei einem Glas Rotwein und guter Laune hier. Sie beziehen mich sofort in ihr Gespräch mit ein. Ich erfahre, dass sie Schwestern sind, den Camino bis Burgos laufen und übermorgen die lockere Pilgerzeit für sie vorbei ist. Dann geht es wieder Richtung Heimat. Mora ging im Jahr 2004 den gesamten Camino.
Der Wein schmeckt heute besonders gut und wir genehmigen uns gerne zwei, drei Gläser mehr als üblich. Wir finden es alle vier sehr schade, dass wir uns nicht vorher schon mal begegnet sind. Zu vorgerückter Stunde verlassen wir den Comedor und machen, als die letzten Gäste heute Abend, das Licht aus. Niemand hat meine tierische Begleitung bemerkt.
Meine „Handtasche“ und ich gehen noch ein bisschen durch Atapuerca spazieren. Die Wirtin wundert sich zwar darüber, sagt aber nichts. Damit Ruddi nicht entdeckt wird, biege ich noch um die eine oder andere Ecke, bevor ich ihn freilasse. Er springt sofort heraus und rennt wie ein geölter Blitz hinauf zur Kirche. In der Dunkelheit dauert es einen Moment, bis ich voller Entsetzen erkennen kann, was mein Schnurzel denn so wichtiges zu erledigen hat. Sein Kumpel aus Agés hat doch tatsächlich hier auf uns gewartet. Er freut sich wie
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