5 1/2 Wochen
wild darüber, uns zu sehen. Wie selbstverständlich heftet er sich umgehend an meine Fersen. Wir gehen ein Stück Feldweg und dann spreche ich ernste Worte zu diesem geduldigen Tier: „Du gehst jetzt sofort wieder nach Hause. Wag Dich bloß nicht, uns zu folgen, sonst wirst Du von dem Señor verjagt. Das wollen wir beide nicht. Also, adiós, gracias por todo.“ Unglaublich, aber wahr: Vor der Kirche verlässt er uns wieder. Ich bin gespannt, ob er bis morgen auf uns wartet, der ist immerhin ungefähr sechs Kilometer von zu Hause entfernt.
Kurz vor dem Einschlafen erhalte ich noch eine SMS von Ina. Sie ist in Villafranca, also eine Tagestour hinter uns. Ich schreibe ihr kurz zurück, teile ihr meinen Aufenthaltsort mit. Sekunden später kommt doch tatsächlich noch eine weitere SMS: Achim, Oliver, Sabrina, Edit, Sören und Pia sind bereits in Burgos. Sie warten schon den ganzen Abend auf mich. Wann ich denn endlich ankäme? Sie feiern „nur“ zwanzig Kilometer von mir entfernt, Abschied. Oliver und Achim müssen morgen wieder nach Hause fliegen und Sören und Pia fahren von Burgos bis Leon mit der Bahn. Was!? Die machen Party!? Da wäre ich gerne bei. Ich bin sehr geknickt. Aber jetzt um 22 Uhr ist nichts mehr daran zu ändern. „Burgos! Da komm ich heut net mehr hin!“ Schade... Bevor ich in allzu tiefe Trauer falle, überwältigt mich der Schlaf.
Dienstag, 29. April 2008
Atapuerca (147 Einwohner), 956 m üdM, Burgos
15. Etappe bis Villalbilla de Burgos, 27,8 km
Hungrig und mit Vorfreude auf das Frühstück, packe ich nach einer sehr angenehmen, ruhigen Nacht meine Sachen in den Rucksack. Für heute sind fast 28 Kilometer geplant und es geht wieder mit einem Anstieg los. Diesmal durchlaufen wir die Sierra de Atapuerca auf 1060 Meter über dem Meeressspiegel. Die Bergsteigerei zieht sich also durch den gesamten Jakobsweg in Nordspanien oder wie ist das? Na ja, die Berge verlieren immer mehr an Schrecken und ich freue mich jetzt schon auf die Belohnung für die Kletterei: es wird wieder einen atemberaubenden Fernblick geben.
Hoch motiviert mache ich mich erst mal an den Treppen-Abstieg zum Frühstücksraum mit Ruddi in der Tasche. Ich nehme am selben Tisch Platz, an dem ich gestern einen so amüsanten „irischen“ Abend erleben durfte. Ich bin völlig in sehr positive Gedanken versunken, als mich die vierköpfige Familie vom Nebentisch anspricht. Es handelt sich um ein französisches Ehepaar mit seinen beiden halbwüchsigen Kindern. Zunächst freue ich mich natürlich - wie immer - neue Pilger kennen zu lernen. Sie sprechen ziemlich gut meine Sprache. Nachdem sie kurz abgecheckt haben, wo ich meinen Camino gestartet habe und seit wann ich unterwegs bin, erzählen sie mir überaus begeistert, ohne nachzufragen, wie mein Weg bisher verlaufen ist, dass sie die gesamte Strecke mit dem Auto abfahren. Natürlich befinden Sie sich immer brav auf den dafür zugelassenen Straßen. Das scheint, zu meiner Überraschung, super spannend zu sein, sie reden und reden über einen langen Zeitraum ohne Punkt und Komma, ohne dass ich auch nur die geringste Chance hätte, irgendetwas dazu zu sagen. Ich höre ihnen schon lange nicht mehr zu, weil dies eine Art des „Pilgerns“ und des »Sich-Mitteilens“ ist, mit der ich nun so gar nichts anfangen kann.
Nur mit konsequenter Ignoranz meinerseits und dem Kopf in deinem Wanderführer kann ich dem Monolog ein Ende setzen. Ina schreibt mir eine SMS: „Ich warte in Burgos auf Dich.“ Da ich nicht vorhabe, mich während meiner Pilgerzeit durch Verabredungen unter Druck zu setzen, antworte ich: „Warte nicht. Wenn wir uns sehen, freue ich mich. Wenn nicht, treffen wir uns an einem anderen Ort wieder. Buen Camino. Liebe Grüße.“ Nachdem ich mir den zweiten Café con leche gegönnt und mich überaus dankbar und herzlich von meinem „Vermieter“ verabschiedet habe, beginnen Ruddi und ich unsere heutige Etappe. Ich atme auf, als ich den Strolch, der mir gestern die Zimmersuche so schwer gemacht hat, nirgendwo entdecke. „Qué suerte (was für ein Glück)!“ Dann ist er wohl wieder nach Hause gelaufen.
Gespannt auf den Tag steige ich mit kurzen entschlossenen Schritten hinauf zur Sierra de Atapuerca. Es ist eine karge, raue Landschaft, durch die sich ein sehr steiniger Weg nach oben schlängelt.
Es erfordert viel Konzentration, die Füße an der richtigen Stelle aufzusetzen, um nicht umzuknicken und rückwärts den Berg wieder runter zu rollen. Die tolle Nebenwirkung
Weitere Kostenlose Bücher