5 1/2 Wochen
vorsorglich verschweigen. So selbstsicher es geht, wage ich es, das einladende Gebäude zu betreten. Mit all meinem Hab und Gut am Körper, fülle ich einen sehr großen Teil des Eingangsbereichs aus - bin sehr präsent. Der Wirt sieht also erst mal angesichts meines weit ausladenden, klitschnass glänzenden Ponchos nur „rot“. Hinter mir bildet sich vom abtropfenden Regen ein klitzekleiner Wasserlauf von der Tür bis zur Rezeption, die gleichzeitig auch den Thekenbereich darstellt. Es ist eng hier und als ich mich zur Seite drehe, um mich meinem Gegenüber zuzuwenden, rücke ich zunächst ungewollt und lautstark mit meinem Rucksack die Barhocker in eine völlig andere Position. Nun habe ich die volle Aufmerksamkeit aller, auch jener, die sich im angrenzenden Schankraum befinden. Ich bin peinlich berührt. Ich möchte vor Scham im harten Bruchstein-Dielenboden versinken.
Die Begrüßung fällt zu meiner Erleichterung dennoch sehr herzlich aus. „Buenas tardes, señor. Busco una habitación (ich suche ein Zimmer).“ Natürlich hat er noch genau ein Zimmer frei. Sofort schreibt er mich in sein Gästebuch ein und fragt mich nach meinem Personalausweis. Er entnimmt alle Daten, die für ihn wichtig sind und ich, nicht faul, bezahle auch sofort die Miete inklusive vorbestelltem Abendessen. Ich habe einfach die Hoffnung, dass er, sollte mein Hund doch noch auffallen, mich nach getaner Arbeit und kassierten Euros nicht mehr wegschickt. Und da kommt auch prompt die freundliche, aber resolute Durchsage, dass er mich durch das Fenster beobachtet hat und der Hund, der hinter mir herlief, natürlich draußen bleiben muss. Mir wird sehr heiß unter meinem Poncho. „Ruddi, bloß nicht bewegen, sonst...“, schießt es mir durch den Kopf. Okay, der Hund, den er gesehen hat, kommt damit klar, der findet schon einen Schlafplatz.
In meinem Kopf herrscht Chaos, Panik macht sich breit. Wenn ich lüge merkt er das doch mit Sicherheit sofort. Ich bin da nicht gut drin, ich will das auch gar nicht. Aber habe ich denn eine andere Wahl? So, wie es aussieht nicht. Momentan bin ich zu allem bereit, wenn ich nur hier übernachten darf. Ich muss bleiben, es gibt keine andere Option- Oweia, mein Hund würde die Nacht in der Kälte da draußen und weit weg von mir nicht überleben. Was mach ich denn jetzt, um hier bleiben zu können? Das muss gut gehen, sonst kann ich mir von dem zugelaufenen Hund eine nette Scheune zeigen lassen. Ich entschließe mich zu einem improvisierten Theaterstück vom allerfeinsten.
Vorhang: Dramatischer Gesichtsausdruck, Text: „Der Hund ist mir zugelaufen und ich bin mit meinen Nerven und meinem Latein am Ende. Ich werde ihn nicht mehr los. Bitte helfen Sie mir. Ich bin völlig verzweifelt wegen ihm. Ich habe Probleme, ein Zimmer zu bekommen, nur weil er mit mir mitläuft. Was soll ich nur machen, wenn er für immer bei mir bleiben will? Können Sie mir helfen? Bitte!!“ Und das alles mit Händen und Füßen, weil er kein Wort Deutsch spricht und mein Spanisch zu „pequeña (klein)“ ist.
Entsetzt und voller Mitgefühl legt er seine Hand auf meinen Arm und macht mir klar, dass er den Hund gleich verjagen wird. Ich flehe ihn erschrocken an, ihm auf keinen Fall weh zu tun. Ich habe echte Tränen in den Augen, angesichts der Tatsache, dass dieser kleine, liebenswerte, klatschnasse Strolch da draußen vor der Tür, in irgendeiner Weise leiden muss, nur weil ich hier so ein „Theater" mache. Der Señor beruhigt mich, er kann keinem Hund was zu Leide tun. Er habe selbst einen. Er will den Zugelaufenen nur wegschicken.
Wie, der hat selbst einen Hund?! Wer Hunde mag und dazu noch einen so offenen, reinen Blick hat wie gerade dieser Señor, der kann nicht wirklich hartherzig sein. Mein Gewissen meldet sich: „Lügen haben kurze Beine, Birgit.“ Hat Ruddi vielleicht doch noch eine Chance? Eigentlich kann ihm doch niemand widerstehen, wenn er erst mal in sein Hundegesicht gesehen hat. Und er ist doch so klein, so süß, so hilflos und überhaupt... Ich kann diesen Mann, der mir so verständnisvoll gegenüber steht, einfach nicht weiter belügen und beschließe, ihm ganz schonend und Stück für Stück zu verraten, was da so unter meinem Poncho los ist.
Jetzt bin ich diejenige, die eine Hand auf seinen Arm legt, ich schaue ihm dabei tief in die Augen, lege die andere Hand auf mein Herz beziehungsweise auf den für ihn unsichtbaren Ruddi und sage voller Gefühl, also herzerweichend: „Mi corazón, señor, mi
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