5. Die Rinucci Brüder: In Neapel verlor ich mein Herz
würden. Nach ihrer Ankunft in Pollys Wohnung, wo sie übernachten wollten, setzten sie sich, nachdem sie sich etwas zu essen hatten kommen lassen, in die winzige Küche.
„Erzählen Sie mir doch das, was Sie in Ruggieros Gegenwart nicht zu sagen wagten“, forderte Hope sie freundlich auf.
Überwältigt von so viel Einfühlungsvermögen, erzählte Polly ihr nun alles, was sie über Freda wusste. Am Ende nickte Hope traurig.
„Ich erinnere mich, dass er sehr schweigsam war, als er damals aus England zurückkam. Er hat etwas von einer Urlaubsromanze gesagt, jedoch so beiläufig, dass ich es für unwichtig hielt. Ich hätte mir denken können, dass mehr dahintersteckte.“ Sie hob resigniert die Hände.
„Er wollte sein Geheimnis wohl nicht preisgeben“, erwiderte Polly. „Freda hat ihn als Frauenhelden beschrieben. Vielleicht war es für ihn …“ Polly suchte nach den richtigen Worten.
„Er konnte wahrscheinlich nicht damit zurechtkommen, dass sie die Affäre beendet hat“, kam Hope ihr zur Hilfe. „Ich frage mich nur, ob da noch mehr war.“
„Das kann nur er selbst beantworten“, erwiderte Polly nachdenklich. „Es war eine einzige Illusion, denn er wusste nichts über sie. Er ahnte nicht, dass sie verheiratet war und ihre eigenen Pläne verfolgte. Nicht einmal ihren richtigen Namen kannte er. Trotz allem möchte ich Sie bitten, sie nicht zu hassen.“
„Wenn sie noch lebte, würde ich sie sicher hassen“, gab Hope zu. „Doch angesichts ihres Schicksals muss ich ihr wohl verzeihen. Haben Sie mit ihr hier in dieser Wohnung gelebt?“
„Ja, bis sie vor einigen Wochen ins Krankenhaus eingeliefert wurde.“
„Sie war sehr schön.“ Hope betrachtete die Fotos, die Polly ihr zeigte.
„Nicht nur das, sie hatte auch das gewisse Etwas, das alle Frauen gern hätten. Früher oder später wäre Ruggiero bestimmt darüber hinweggekommen, wenn ich nicht aufgetaucht wäre. Jetzt muss er sich damit auseinandersetzen, was damals geschehen ist, und das fällt ihm unendlich schwer.“ „Sie werden ihm helfen, nicht wahr?“ Hope sah sie erwartungsvoll an. „Sie sind für ihn etwas Besonderes, weil Sie ihre Cousine sind. Und Sie sind die Einzige, mit der er über die Sache reden kann.“
„Ich werde tun, was ich kann, allein wegen Matthew.“
„Nur seinetwegen? Ach ja, Sie sind verlobt. Das hatte ich vergessen.“
In der Nacht konnte Polly nicht schlafen. Sie hatte das Gefühl, Fredas Geist spuke in der kleinen Wohnung herum, und quälte sich mit Erinnerungen herum.
„Er war so herrlich gebaut“, hatte Freda einmal erzählt, „für die Liebe einfach wie geschaffen.“ Dann hatte sie Polly von der Seite boshaft und gehässig angesehen und gesagt: „Es stört dich doch nicht, dass ich so offen darüber rede, oder?“
„Nein“, hatte Polly wahrheitsgemäß erwidert. Damals hatte sie ja nur nebelhafte Vorstellungen von ihm gehabt.
Das war jetzt anders. Nachdem sie ihn kennengelernt und in den Armen gehalten hatte, bekamen Fredas Worte eine ganz andere Bedeutung: … für die Liebe einfach wie geschaffen.
Plötzlich richtete sie sich auf, atmete tief durch und blickte in die Dunkelheit. „Was für ein Unsinn“, sagte sie laut vor sich hin.
Danach konnte sie erst recht nicht schlafen. Sie stand auf und wanderte ruhelos im Zimmer umher. Es geht mir viel zu nahe, ich muss es beenden, mir einen Job suchen und Ruggiero vergessen, überlegte sie.
Doch Letzteres war unmöglich. Allzu gut erinnerte sie sich daran, wie sie die Finger über seine nackte Haut hatte gleiten lassen, während sie ihn untersucht hatte. Zunächst hatte sie nichts dabei gedacht, doch im Nachhinein fand sie es erregend.
„Sie sind etwas Besonderes für ihn“, hatte Hope gesagt. Zu ihrem eigenen Entsetzen hatte Polly Herzklopfen bekommen, war jedoch sogleich ernüchtert gewesen, als Hope hinzugefügt hatte: „Weil Sie ihre Cousine sind.“
Nur wegen Freda bin ich für Ruggiero interessant, das darf ich nie vergessen, falls ich jemals auf dumme Gedanken komme, ermahnte sich Polly.
Danach konnte sie endlich einschlafen.
Früh am nächsten Morgen rief Pollys Freundin Iris an. Ihre Tochter hatte sich das Bein gebrochen und musste sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Da Iris sich deshalb nicht mehr um Matthew kümmern konnte, wollte ihr Mann Joe den Kleinen ganz schnell vorbeibringen.
Eine halbe Stunde später stand dieser mit dem Kind vor der Tür. Der Junge schien die Unruhe zu spüren, denn er brüllte aus
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