5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
musste einfach lächeln, als sie kurz darauf mit ihrer sanften Stimme sagte: » Gott sei Dank. Ich habe eine Ewigkeit auf Sie gewartet. Jetzt kann ich endlich sterben. «
Stella war vierzig Jahre lang Yoga-Lehrerin gewesen, lange bevor Yoga in westlichen Kulturen alltäglich wurde. Damals war es noch eine Kuriosität aus dem Osten. Sie war mehrfach in Indien gewesen und hatte sich ihrem Weg voll und ganz verschrieben.
Früher hatte Stella auf Anfrage immer angegeben, sie sei Gymnastiklehrerin, weil Yoga für die Welt, in der sie lebte, zu abwegig war. Aber im Laufe der Zeit entwickelte sich die Gesellschaft glücklicherweise weiter, so dass sie sich nicht mehr verstecken musste und vielen Schülern die Kunst und Weisheit ihres Weges näherbringen konnte.
Ihr Mann war zwar schon Rentner, arbeitete aber immer noch ein bisschen von zu Hause aus. Er töpferte friedlich vor sich hin, und ich genoss seine Anwesenheit. Die Hausbibliothek war voller spiritueller Klassiker. Viele hatte ich schon gelesen, aber eine ganze Menge stand auch noch auf meiner Liste. Diese Bibliothek war der wahrgewordene Traum für einen jeden Leser, vor allem für einen, der sich für Philosophie, Psychologie und Spiritualität interessierte. Ich verschlang so viel wie möglich davon. Manchmal wachte Stella auf, fragte mich, was für ein Buch ich gerade las und wo ich gerade war, und dann kommentierte sie meine Lektüre. Sie kannte diese Bücher alle. Wenn sie munter genug für lange Unterhaltungen war– was leider nicht allzu oft der Fall war–, drehte sich unser Gespräch immer um Philosophie. Wir teilten viele Theorien und stellten fest, dass sich unsere Denkweise nicht sehr voneinander unterschied.
Auch bei meinen Yogaübungen machte ich riesige Fortschritte. Ich hatte nicht das Gefühl, verstecken zu müssen, was ich tat, oder in ein anderes Zimmer gehen zu müssen. Die Tür zu Stellas Schlafzimmer war nie geschlossen, so dass jederzeit ein frischer Luftzug hindurchwehte. Dieses Haus war ein wunderbarer Arbeitsplatz. Stellas friedliche weiße Katze namens Yogi lag am Fußende des Bettes und sah mir zu. Da die Nachmittage in dieser Gegend so besonders ruhig waren, nutzte ich diese Zeit meistens für Dehn- und Atemübungen. Es war immer eine angenehme Überraschung, wenn ich dachte, dass Stella schlief, sie mir aber plötzlich einen Kommentar zu meiner Position zurief, wie ich meine Haltung verbessern oder eine ähnliche ausprobieren könnte, die vielleicht etwas dynamischer und anspruchsvoller war. Dann döste sie wieder ein.
Damals machte ich seit fünf Jahren Yoga. Angefangen hatte es in Fremantle, einem Vorort von Perth, während der Zeit, als ich in Western Australia lebte. Zweimal die Woche sprang ich auf mein Rad und fuhr durch ein paar Vororte nach Fremantle. Der Lehrer hieß Kale und führte mich ganz wunderbar ins Yoga ein. Er hatte erst sehr spät im Leben seinen eigenen Weg gefunden und war über Rückenschmerzen zum Yoga gekommen. Doch das Leben hatte offensichtlich große Pläne mit ihm, und so fand er seine Berufung, sehr zum Wohle seiner vielen eifrigen Schüler.
Als wir Perth verlassen hatten, war mein Leben eine Weile sehr rastlos, doch Yoga zog mich weiterhin an. An jedem Wohnort suchte ich mir einen Kurs. Bei manchen machte ich nur kurz mit. Ich entdeckte keinen Kurs, der mich so ansprach wie der von Kale, es war vergebliche Liebesmüh. So etwas würde ich nie wieder finden.
In Stellas Schlafzimmer wurde mir klar, warum mich meine Übungen nie ganz zufriedenstellten, ich suchte immer noch nach einem Lehrer, statt mich nach mir selbst zu richten. Dank Stellas Anleitung veränderte sich diese Haltung für immer. Ich habe seitdem noch andere Kurse besucht, weil ich dabei immer noch ein Stückchen weiter komme, als ich es mit meinen Sitzungen allein zu Hause schaffen könnte. Außerdem lernt man dort auch prima Leute kennen, die auf derselben Wellenlänge liegen. Doch meine häuslichen Yogastunden stehen jetzt auf sicherem Boden, denn die Praxis selbst ist der Lehrer. Stella hat in mir ihre letzte Schülerin geprägt.
Am meisten frustrierte es sie, dass sie bereit war zu sterben, der Tod aber nicht kommen wollte. Wenn ich morgens eintrat und sie fragte, wie es ihr ging, antwortete sie oft: » Na, wie soll’s mir schon gehen? Ich bin immer noch hier, obwohl ich gar nicht will. «
Sie selbst konnte nicht mehr meditieren. Nach all den Jahren geistiger Disziplin und der Verbindung mit sich selbst, die sie durch die
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