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5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)

5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)

Titel: 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bronnie Ware
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ich sie kennenlernte, war ihre Sprache schon seit mehreren Monaten auf diesem Niveau.
    Eines Tages, nachdem ich ihr beim Toilettengang behilflich gewesen war, schlurfte sie an meiner Hand zurück zum Bett. Da fiel mir irgendeine Tube aus der anderen Hand, und ich lachte, als ich mich bückte, um sie aufzuheben. Ich behandelte Nanci immer so wie alle anderen Patienten, auch wenn sie geistig meilenweit entfernt war. Also redete ich weiter mit ihr und lachte, als ich mich wieder aufrichtete. In diesem Moment sah Nanci mir ganz klar und direkt in die Augen und sagte: » Ich finde Sie ganz reizend. «
    Ein Strahlen breitete sich auf meinem Gesicht aus, und wir standen uns eine Weile lächelnd gegenüber. Ich sah eine geistig völlig gesunde und klare Person an. In diesem Moment wusste sie absolut, was mit ihr geschah. Also erwiderte ich wahrheitsgemäß: » Ich Sie auch, Nanci. « Ihr Lächeln wurde auch breiter, und wir umarmten uns, und danach lächelten wir uns noch einmal an. Es war wunderschön.
    Inzwischen konnte sie aber das Gleichgewicht nicht mehr besonders gut halten, also gingen wir Hand in Hand weiter zu ihrem Bett. Als ich sie auf die Kante setzte und mich bückte, um ihre Beine hochzuheben, sagte Nanci wieder einen völlig unverständlichen, durcheinandergewürfelten Satz in ihrer Alzheimersprache. Sie war wieder weggetreten, aber davor war sie kurz da gewesen, so klar, wie ein Mensch nur sein kann.
    Niemand wird mich jemals vom Gegenteil überzeugen. Mag sein, dass Alzheimerpatienten die meiste Zeit nicht wissen, was um sie herum geschieht. Aber nur weil sie ihre Gedanken nicht klar vermitteln können und oft sehr verwirrt sind, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht das eine oder andere doch mitbekommen. Als ich dieses Phänomen mit eigenen Augen gesehen hatte, änderte sich meine Sicht auf diese und andere Krankheiten völlig.
    Ein paar Wochen später erwähnte ich diesen Vorfall Linda gegenüber. Sie stimmte mir zu, dass das ein ganz besonderes Ereignis gewesen war. Wenig später erlebte Linda auch einen Moment der Klarheit bei Nanci, wenn auch vielleicht nicht so entzückend. Es gehörte zu ihren Aufgaben als Nachtschwester, Nanci alle vier Stunden umzubetten, um Wundliegen zu vermeiden. Oft schlief die alte Dame dann gerade tief und fest, aber es musste gemacht werden, der Arzt hatte es so angeordnet. Doch in dieser Nacht, als Linda sich um vier Uhr morgens anschickte, sie umzudrehen, sagte Nanci sehr fest und klar zu ihr: » Wagen Sie es bloß nicht, mich jetzt zu bewegen. «
    » Keine Sorge, Nanci « , antwortete Linda verdattert. » Träumen Sie was Schönes. « Sie war verblüfft, ging dann aber wieder schlafen.
    Die Familie kam jeden Tag und erlöste mich für eine halbe Stunde von meinen Pflichten. Da die Schichten so lang und anstrengend waren, war ich froh über die Pause. Nancis Haus befand sich in einer Vorstadt in Strandnähe, ich musste also nur den Hügel hinuntermarschieren, schon stand ich auf einem Felsen direkt am Meer. Die Steine waren zum Teil mit Seepocken bewachsen, und in den Vertiefungen standen kleine Meerwasserpfützen, aber es blieb genug Platz, den Felsen zu überqueren und sicher bis an die Kante zu gelangen. Tief atmete ich die Seeluft ein und genoss die frische Brise und die Weite des Ozeans. Manchmal stand noch jemand auf den Klippen, ein Stückchen weiter draußen, ein Saxophonspieler. Es war geradezu magisch, diese perfekten Melodien über dem Rhythmus der Wellen zu hören. Ich stand da wie verzaubert und nahm alles in mich auf, bevor ich widerstrebend wieder den Hügel hochging. Aber dann hielt mich die Musik jedes Mal für den Rest meiner Schicht aufrecht.
    Natürlich erzählte ich Nanci davon, auch wenn sie sich in einer komplett anderen Welt befand. Das störte mich nicht. Meine Absicht war nur die, sie nach Möglichkeit ein wenig zu stimulieren, indem ich ihr von der Außenwelt erzählte. Ihre eigene Welt bestand mittlerweile ja nur noch aus ihrem Schlafzimmer, dem Bad und dem Wohnzimmer.
    Eine paar Monate lang erwähnte ich ihr gegenüber also immer den Saxophonspieler, ohne dass ich jemals eine Reaktion oder ein Zeichen von Interesse an ihr bemerkte. Doch eines Tages, als ich beschwingt zurückkam und die Melodie zu beschreiben versuchte, die er an diesem Tag gespielt hatte (als ob man Musik jemals mit Worten wirklich beschreiben könnte), sah Nanci mir in die Augen und lächelte. Als ich ein paar Minuten später die Wäsche in den Schrank legte, fing sie

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