5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
kennengelernt, und inzwischen war eine kleine Schwester für Layla unterwegs.
In meiner Antwortmail wünschte ich ihnen allen das Beste. Nur zu gern schrieb ich ihm auch, was mir von Jude so lebhaft in Erinnerung geblieben war: ihr Lächeln, ihre Geduld in ihrer Krankheit, ihre Schicksalsergebenheit und die Entschlossenheit, mit der sie mir mitteilte, was ihr am Herzen lag. Schuldgefühle sind Gift. Wer glücklich leben will, muss seine Gefühle ausdrücken.
Ich weiß heute noch, wie ich neben ihrem Bett saß, der Vollmond schien aufs Wasser, und Jude sprach mit mir. Sie war entschlossen zu reden, bis sie keine Stimme mehr hatte.
Sie hat mir vermittelt, was ihr wichtig war, und ich weiß jetzt selbst, wie schön es ist, seine Gefühle auszudrücken, so ehrlich, wie ein Delfin seine Freude zeigt, wenn er seine Luftsprünge macht.
Sicherer Lohn
Bei kurzfristigen Einsätzen in Pflegeheimen hatte ich hin und wieder schon mit Patienten gearbeitet, die an Alzheimer litten. Doch Nanci war meine erste sterbende Patientin, die an dieser Krankheit litt und die ich zu Hause betreute. Sie war eine sanfte Frau gewesen, Mutter von drei Kindern und Großmutter von zehn Enkeln. Ihr Mann war noch da, betrat aber nur selten das Zimmer. Man hätte fast vergessen können, dass er überhaupt noch im Hause lebte.
Nancis drei Schwestern und zwei Brüder kamen sie abwechselnd besuchen und anfangs auch ein paar Freunde, doch diese Besuche wurden mit der Zeit immer seltener. Sich um Nanci zu kümmern war harte, anstrengende Arbeit. Sie war ruhelos und schwer zu beaufsichtigen, denn sie wollte nie länger als eine Minute an einem Ort bleiben und war dabei die meiste Zeit schrecklich nervös. Friedliche Momente waren rar für sie und damit natürlich auch für mich.
Irgendwann nahm diese qualvolle Unruhe so besorgniserregende Formen an (vor allem für die Familie), dass die Dosis ihrer Medikamente erhöht wurde. Danach schlief Nanci teilweise auch tagsüber. Wenn sie wach war, konnte sie überhaupt keine sinnvollen Worte und Sätze mehr äußern, wie es für Alzheimerpatienten typisch ist. Teile eines Wortes wurden mit Teilen eines anderen vermischt. Manchmal ließ sich ein englischer Dialekt erkennen, aber nichts Strukturiertes, Zusammenhängendes. Trotzdem behandelte ich Nanci wie all meine Patienten mit Liebe und Sanftheit, plauderte mit ihr, während ich sie versorgte. Manchmal nahm sie zur Kenntnis, dass ich im Zimmer war, manchmal war sie meilenweit weg, und ich wäre ihr nicht mal aufgefallen, wenn ich zehn Köpfe gehabt hätte.
Ab und zu duschte ich sie selbst, wenn ich um acht Uhr morgens kam, aber normalerweise gehörte das zu den Aufgaben der Nachtschwester. Ich musste sie nur dann waschen, wenn die Nacht besonders anstrengend gewesen war und Nanci bei meiner Ankunft noch schlief, was mir aber genauso recht war. Doch meistens wurde sie gerade geduscht, wenn ich um acht Uhr morgens eintraf. Dann saß Nanci auf ihrem Waschstuhl, ließ sich von der Nachtschwester einseifen und lächelte mich manchmal an. Eine der Schwestern hatte jedoch völlig andere Pflegemethoden als wir anderen, und sie bestand darauf, dass man dort, wo sie herkam, die Dinge eben so machte.
Der erste Vorfall ereignete sich eines eiskalten Wintermorgens. Als ich in Nancis Zimmer kam, lag sie dort nackt und ohne Decke auf dem Bett und schlotterte vor Kälte. Sie war gerade geduscht worden, dabei hatte sich ihr Darm entleert, so dass nun ein riesiger Haufen Fäkalien unter ihrem Waschstuhl lag. Das war nichts Neues. Den Patienten ging es oft so, wenn ihr Hintern durch die Öffnung auf dem Stuhl hing, weil ihre Gedärme dieses Gefühl mit einem Toilettensitz assoziierten. Die Stühle wurden ja auch benutzt, um über einer Toilette sitzen zu können, wenn der Patient einen erhöhten Sitz brauchte. Somit war es nicht ganz ungewöhnlich, dass so etwas auch einmal in der Dusche passierte.
Nanci war eine sittsame Frau aus einer sittsamen Familie. Es wäre schon traumatisch genug für sie gewesen, nackt ohne Decke dort zu liegen, aber nun fror sie auch noch erbärmlich. Wie sie so auf dem Bett lag, sah sie aus wie ein zerbrechliches kleines Kind. Rasch trocknete ich sie ab und breitete eine warme Decke über sie. Die andere Schwester war im Badezimmer, wo sie das Malheur beseitigte. Ich konnte nicht anders und musste eine Bemerkung zu diesem Vorfall machen, auch wenn ich es so diplomatisch wie möglich tat. Ich meinte, ich hätte das doch später saubermachen
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