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5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)

5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)

Titel: 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bronnie Ware
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können, denn schließlich stehe doch die Bequemlichkeit des Patienten an erster Stelle, nicht der saubere Badezimmerboden. Die Schwester antwortete nur mit einem Schulterzucken.
    Der nächste Vorfall ereignete sich ein paar Wochen später. Ich trage generell ungern eine Uhr und vermeide es, mir durch eine Uhr eine Struktur diktieren zu lassen, wenn es sich irgend umgehen lässt. Wenn ich mich also nach einem streng eingeteilten Zeitplan richten muss, setze ich mich nicht unter Stress und hetze mich nicht ab, um pünktlich zu sein, sondern plane lieber sehr, sehr viel Zeit für den Weg zur Arbeit ein. Auf diese Art kann ich die Fahrt, sei sie lang oder kurz, besser genießen und ganz bei der Sache sein. An diesem bewussten Morgen war der Verkehr so flüssig gewesen, dass ich wesentlich früher ankam als erwartet.
    Nach dem ersten Vorfall war die Nachtschwester dazu übergegangen, Nanci einfach früher zu duschen. Deswegen sah ich nie, wie sie mit ihr umging. Diese Schwester und ich verstanden uns eigentlich ganz gut– wir hatten schon ein paar Patienten gemeinsam betreut und einander in den letzten Jahren öfters mal bei einem Schichtwechsel gesehen. Nichtsdestoweniger hatte ich angesichts ihrer mangelnden Empathie bei Nanci und anderen Patienten einige Mühe, sie weiterhin als professionelle Pflegerin zu betrachten. Meine Zweifel wurden noch größer, als ich ins Bad kam, um guten Morgen zu sagen, und die liebe kleine Nanci bibbernd und mit klappernden Zähnen auf ihrem Waschstuhl vorfand.
    Als ich fragte, was los sei, erklärte mir die Pflegerin, dort, wo sie herkam, dusche man die Leute so: den Körper erst ein paar Minuten mit eiskaltem Wasser abbrausen, dann ein paar Minuten schön warmes Wasser, dann wieder ein paar Minuten kalt, dann warm, aber am Schluss immer kalt. Das regt die Durchblutung an, behauptete sie. Das mochte so stimmen, das wusste ich nicht, und es war mir auch egal. Ich selbst fühlte mich ja auch oft sehr belebt, wenn ich in kaltem Wasser geschwommen war.
    Das Problem war nur, dass es mitten im Winter war. Draußen heulte der Wind und rüttelte an den Fenstern, und auch im Haus musste man mehrere Schichten Kleidung tragen. Diese kleine Frau war so krank, dass sie bald sterben würde, die brauchte ganz sicher keine Belebung, damit sie gleich noch eine Runde um den Block joggen konnte. Nanci war viel zu zerbrechlich, um überhaupt noch irgendetwas zu machen. Alles, was sie brauchte, war Wärme und Behaglichkeit. Wir sollten uns um ihr Wohlergehen kümmern, dazu gehört eben auch Behaglichkeit. Ganz sicher aber sollten wir die Patientin nicht mit verschreckter Miene auf ihrem Waschstuhl zittern lassen, bis ihr vor Kälte die Zähne klapperten. Meiner Meinung nach sollte diese goldige Dame einfach nur mollig warm eingepackt und liebevoll umsorgt werden.
    Ich war zwar nie besonders energisch, aber wenn es nötig wird, kann ich schon auf gewisse Kräfte zurückgreifen. Und ich werde in dem Moment energisch, wo ich Zeuge von Ungerechtigkeit und Grausamkeit werde. Freundlich, aber ehrlich erklärte ich der anderen Schwester meinen Standpunkt. Sie verstand, was ich meinte, und akzeptierte, dass Nanci mit warmem Wasser zu Ende geduscht wurde.
    Die endlose Reihe von Tagen lief immer nach demselben Schema ab. Die bewusste Nachtschwester wollte in Urlaub fahren und würde eine ganze Weile nicht da sein. Sie wurde ersetzt durch eine andere Pflegerin, Linda, die ich schon oft getroffen hatte. Es war immer erfrischend, sie von ihrer Schicht abzulösen, denn man konnte noch schön mit ihr plaudern. Ihr Arbeitsethos gehorchte einem hohen Standard. Ich war erleichtert für unsere Patientin und sprach ein aufrichtiges Dankgebet.
    Nancis sprachliche Äußerungen waren weiterhin sehr unzusammenhängend. Wenn sie nicht im Bett war, war sie die meiste Zeit unverändert rastlos und erregt. Aber auf Grund ihrer höher dosierten Medikamente hielten diese Zustände nicht lang an. Die Seitengitter an ihrem Bett sollten normalerweise permanent hochgeklappt sein. Aber wenn die Lage ruhig war, klappte ich sie herunter, um die Barrieren zwischen uns zu entfernen. Manchmal reagierte Nanci besonders positiv, wenn ich sie verwöhnte, zum Beispiel wenn ich ihre Beine eincremte und massierte. Aber selbst in diesen ruhigeren Momenten sprach Nanci, wenn überhaupt, in der Sprache, die nur Alzheimerpatienten verstehen können. Es war weder Klarheit noch Struktur vorhanden, nur gemurmelte Silben, die zusammen keinen Sinn ergaben. Als

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