5 Farben Blau
erster den Blick vom anderen zu lösen. Die Atmosphäre ist spannungsgeladen, die Luft zwischen uns scheint zu vibrieren. Dann räuspert er sich und sagt: »Kommen Sie, Matt wartet in der Tiefgarage auf uns.«
Ich nehme meine Abendtasche und er führt mich zum Aufzug, der direkt in die Tiefgarage fährt. Wir berühren uns zwar nicht in der engen Kabine, aber seine Nähe raubt mir dennoch den Atem. Er riecht unsagbar gut nach Meer und Freiheit, und obwohl er sich rasiert hat, kann man schon wieder einige Bartstoppeln erahnen. Im Spiegelglas kann ich ihn ungeniert von allen Seiten betrachten, ich sehe, dass er dasselbe tut. Als die Türen sich öffnen, legt er seine Hand auf meinen nackten Rücken, um mir den Vortritt zu lassen. Es ist nur eine kleine Geste, doch sie überrascht mich und ich muss aufpassen, dass ich nicht ins Stolpern gerate. Ich bin so hohe Absätze nicht gewohnt, meine Schuhe lassen mich allerdings nicht mehr ganz so klein erscheinen, was mir gut gefällt.
Matt hält uns die Tür auf und wir steigen in einen Bantley, dabei wirft er mir ein bezauberndes Lächeln zu, das auch Rhys nicht entgeht.
M it wenigen Worten informiert mich Rhys, dass wir auf dem Weg zur Eröffnung einer Ausstellung für junge Glaskünstler sind. Sie findet in der Cunningham Galerie statt. Als wir dort eintreffen, sind die Ausstellungsräume schon gut besucht.
Rhys wird von allen möglichen Leuten begrüßt, die mich mit neugierigen Augen mustern, er stellt mich als seine neue Assistentin vor. Es gibt sogar einige wenige, die nach Melissa fragen, doch er umgeht die Antwort mit einem charmanten Lächeln.
Es gibt wunderbares Fingerfood, von dem ich kaum wage zu kosten, ich habe Angst, dass mein Magen rebelliert, denn nach wie vor bin ich höchst angespannt. Ich spüre bei jeder Bewegung, wie mir Rhy sʼ Blicke folgen und gebe mir größte Mühe so zu tun, als würde ich es nicht bemerken. Dennoch bewege ich mich bewusst etwas lasziver als sonst. Ich weiß, welche Wirkung meine Frisur hat, sie betont meine wie ich hoffe erhabene Kopfhaltung und meinen schmalen langen Hals und lenkt den Blick gezielt in den tiefen Ausschnitt meines Kleides. Jedes Mal, wenn ich mich in dem prunkvollen Raum umschaue, erhasche ich in einem der zahllosen Spiegel einen flüchtigen Blick auf mich und auf meinen Chef, der für nichts anderes Augen zu haben scheint als mich.
Nach dem kleinen Stehimbiss folgen einige Reden, von denen eine Rhys hält. Das verschafft mir Zeit, einmal durchzuatmen und mir das Publikum genauer anzusehen. Es wimmelt nur so von Reichtum und Macht. Der Bürgermeister ist anwesend, einige Senatoren, so berichtet mir Trish, eine nach eigenen Angaben siebzigjährige Milliardärin und scheinbar gute Freundin von Rhys, die er mir im Vorbeigehen vorgestellt hat.
Ich muss mir Mühe geben, mir alle wichtigen Namen zu merken und fühle mich ein wenig unerfahren, schreibe mir daher gedanklich eine nicht ganz ernst gemeinte Notiz, sämtliche Persönlichkeiten New Yorks zu googeln. Trish ist auf ihre reizende Art sehr neugierig und ich muss Rede und Antwort zu meiner Herkunft stehen. Sie ist dabei so charmant, dass ich sie einfach nur nett finden kann. Sie kennt Alex und kann es nicht fassen, dass er mein Bruder ist. Da geht es ihr nicht besser als mir, denke ich schmunzelnd.
»Woher haben Sie dieses wunderbare Kleid, Jazman?«, fragt Trish mit einem Zwinkern.
»Von mir.« Cunninghams dunkler Bariton donnert über unsere Köpfe hinweg. Er hat mittlerweile seine Rede beendet und steht nun hinter uns.
»Rhys, deine neue Assistentin ist wirklich eine ganz bezaubernde Person. Du musst später unbedingt mit ihr tanzen .«
Eine Band hat mittlerweile angefangen zu spielen.
»Aber Trish, du weißt doch, dass Rhys nicht tanzt«, erklärt eine weitere Bekannte, die er mir vorgestellt hat. Trish lächelt nur und tätschelt Rhys liebevoll die Hand. Dieser beugt sich hinunter und küsst Trish auf die Wange. Mir geht das Herz auf und ich muss lächeln. Verstohlen beobachte ich, wie Rhys Trish etwas ins Ohr flüstert und leicht über ihre Wange streicht.
Die Gäste begutachten inzwischen die Ausstellungsstücke, wunderbare Gebilde aus Glas. Dann drängen sie sich an die Bar und auf der Tanzfläche. Ich bemerke, dass Rhys keinen Alkohol trinkt und auch ich halte mich an einem Glas Champagner fest, denn ich möchte meine Sinne beisammenhalten.
Zielstrebig bahne ich mir nach einiger Zeit einen Weg zu den Toiletten. Dort tummeln sich die Schönen,
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