5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
warf Corrie einen kritischen Blick zu, ehe sie die Blumen ins Spülbecken legte, um eine Vase zu holen.
»Guten Morgen, oder eher, guten Tag. Du hast ganz schön lange geschlafen. Ich nehme an, die Party war schön?«
Corrie biss erneut von ihrem Toast ab, um ihre Antwort möglichst unverständlich und unverfänglich zu gestalten. Sie kannte ihre Mutter gut genug, um zu wissen, dass diese ohnehin kein rechtes Interesse an einer Zusammenfassung des gestrigen Abends hatte. Ansonsten hätte sie sich längst zu ihr an den Tisch gesetzt, u m sie bei der Unterhaltung genau zu beobachten.
»Schön, schön«, antwortete Demi nur und arrangierte den Blumenstrauß in der Vase, ehe sie ihn auf den Tisch stellte. Erst jetzt blieb sie stehen, um Corrie anzusehen. Ihre Brauen waren hochgezogen, und Corrie blinzelte sie verwirrt an.
»Na, worauf wartest du? Willst du mir nicht im Garten helfen?« Es war wieder einmal keine Frage. Das wussten sie beide. Demi machte sich bereits auf den Weg zur Tür.
Irgendwann musst du doch lernen, wie das geht.
»Was?« Corrie sah ihre Mutter mit einem Stirnrunzeln an.
»Ich habe gefragt, ob du mir nicht helfen willst«, wiederholte Demi mit hochgezogenen Brauen, ehe sie ebenfalls die Stirn runzelte und mit zwei Schritten vor Corrie stand und ihr die Hand auf die Stirn legte.
»Geht es dir nicht gut? Fühlst du dich unwohl? Das war gestern zu anstrengend für dich, ich hab’s ja gewusst.«
Corrie machte einen langsamen Schritt zurück und nahm die Hand ihrer Mutter in die eigene, als diese ihr wieder die Stirn fühlen wollte.
»Ma, mir geht es gut. Wirklich. Ich bin nur noch etwas müde, das ist alles.«
Demi sah sie zweifelnd an. Corrie bemühte sich um ein Lächeln und ging an ihrer Mutter vorbei in den Garten.
»Was willst du heute pflanzen?«
***
Als die Mittagssonne auf sie herabschien, kniff Corrie die Augen zusammen und wandte ihren Kopf zur Seite.
»Ich glaub, ich leg mich besser ein wenig hin.«
Ihre Mutter sah zu ihr herüber. Ehe diese wieder ihre Temperatur fühlen konnte, stand Corrie hastig auf. Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie zurück ins Haus. Auf dem Weg in ihr Schlafzimmer streifte sie sich noch rasch die Schuhe von den Füßen und ließ sie achtlos im Flur liegen. Sie würde sie später wegräumen, dachte sie sich und zog die Vorhänge in ihrem Zimmer zu.
Corrie schlug gar nicht erst die Bettdecke zurück, sie ließ sich einfach mit einem Seufzen auf ihre Decke und in ihr Kissen fallen. Dank der Müdigkeit der vergangenen Nacht und der beginnenden Kopfschmerzen dauerte es nicht lange, bis sie eingeschlafen war.
Nebel. Um sie herum war eine dichte, graue Masse. Kalt und nass auf ihrer Haut. Sie konnte nicht weiter sehen, als sie ihre Hand ausstrecken konnte. Wo war sie?
»Hallo? Ist da jemand?« Ihre Stimme klang seltsam. Als spräche sie durch einen dicken Schal, der um ihren Mund gewickelt worden war.
»Hallo?« Keiner antwortete ihr. Sie war allein in diesem Nebel. Sie ging geradeaus, die Arme vor sich ausgestreckt, damit sie nirgendwo anstieß. Doch da schien nichts zu sein.
Wie lange sie schon lief, konnte sie nicht mehr sagen. Minuten, Stunden, vielleicht Tage. Sie wusste es nicht. Ihr Kleid hatte sich mit Feuchtigkeit vollgesogen und klebte schwer und kalt an ihrem Körper.
Sie ging weiter, ohne darüber nachzudenken. Was sonst sollte sie tun? Wohin sie ging, wusste sie genauso wenig, wie wonach sie überhaupt suchte. Suchte sie überhaupt etwas? Vielleicht ihren Namen? Ihre Identität?
Wer bin ich? Der Versuch, die Frage zu beantworten, brachte einen stechenden Schmerz in ihrem Kopf mit sich. Wieso konnte sie sich an nichts erinnern? War sie vollkommen verloren?
Als Corrie erwachte, war ihr Gesicht nass. Mit der rechten Hand wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Angst schnürte ihr Herz und Kehle zu. Sie rollte sich unter die Decke und zog sie bis über die Schultern. Es war ihr, als könne sie den Nebel noch immer spüren, der sich um sie herum ausbreitete. Als sie sich zusammenrollte, um sich unter der Decke zu wärmen, griff sie nach dem vertrauten Gewicht des Anhängers an ihrem Hals. Ohne darüber nachzudenken, nahm sie die Kette ab und legte sie in die Nachttischschublade.
»Ohne dich habe ich wirklich besser geschlafen«, murmelte sie und blickte auf den Vorhang vor ihrem Fenster. Die Sonne stand bereits tief am Himmel und ließ die letzten Strahlen durch den roten Stoff in ihr Zimmer fallen und Muster auf den Boden
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