5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
widersprochen hatte. Es war nur so, dass die Vorstellung, jemand könnte den Traum der letzten Nacht für etwas Schlimmes halten, ihr widerstrebte. Sie hatte sich so glücklich, so befreit gefühlt. Den ganzen Morgen war sie mit einem Lächeln durchs Haus geschwebt. Auch wenn sie wusste, dass es nur ein Traum gewesen war, dass es verrückt war, ihm so eine große Bedeutung beizumessen, sie konnte nicht anders.
»Aha.« Enids Brauen senkten sich langsam wieder, als ein Grinsen auf ihrem Gesicht ausbrach. Sie schob ihre Kaffeetasse beiseite und lehnte sich langsam über den Tisch.
»Also so ein Traum. Jetzt bin ich neugierig. Ging es um Aides?« Enid lachte, als Corrie einen großen Schluck Wasser trank, und schüttelte den Kopf. »Oh, ich wusste es. Ihr beide müsst euch unbedingt treffen.«
Corrie widersprach nicht. Das konnte sie auch nicht wirklich. Tatsächlich hatte der Mann in ihrem Traum genau wie Enids Bekannter ausgesehen. Sie hatte ihm gegenüber die gleiche Vertrautheit gespürt, wie sie es auf der Party getan hatte. Mehr noch sogar. Als er davon gesprochen hatte, dass er Angst davor hatte, sie könne ihn verlassen, war ihr das Herz unendlich schwer geworden.
Ihn wiedersehen? Das würde sie nur zu gern, auch wenn sie nicht wagte, dies laut auszusprechen. Sie wollte wissen, wieso sie diese Gefühle für ihn verspürte. Es konnte doch nicht normal sein, sich einem Fremden so verbunden zu fühlen.
»Sollen wir?«, fragte Enid, als sie ihre Tasse geleert hatte. Corrie trank ihr Glas aus und griff nach ihren beiden Einkaufstüten.
»Wo willst du als Nächstes hin?«, fragte sie Enid. Diese kniff die Augen zusammen und sah sich in der Mall um.
»Oh, gehen wir in das süße Schmuckgeschäft im ersten Stock? Da hatte ich letztens eine so schöne Kette entdeckt, aber dummerweise kein Geld dabei.«
Sie fuhren mit dem Aufzug nach unten und gingen zielstrebig in den Laden, in dem Enid Corrie eine silberne Kette mit einem kleinen Schmetterlingsanhänger zeigte, der in allen Farben des Regenbogens schillerte.
»Ist er nicht hübsch?«
Corrie nickte zustimmend, als Enid die Kette abnahm und zur Kasse ging. Eins der wenigen Dinge, an die sie sich im Zusammenhang mit Enid erinnerte, waren Schmetterlinge. Ihre Freundin hatte eine Passion für die Tiere und konnte an keinem, nicht mal einem künstlichen, einfach so vorbeigehen.
Neben dem Schmuckgeschäft gab es einen Blumenstand, und der Duft der Pflanzen zog bis in den kleinen Laden. Gemächlich schlenderten Corrie und Enid an den Blumen vorbei und sahen sie sich an.
»Schau nur«, meinte Enid und zeigte auf eine Calla, die bereits viel von ihrer Schönheit eingebüßt hatte. Die einst weiße Blüte besaß einen Gelbstich, und die Blätter hatten ihre grüne Farbe gegen ein vertrocknetes Braun eingetauscht.
»Schade. Wieso werfen sie sie nicht weg? Wer soll die denn noch kaufen?«, fragte Enid, während Corrie vorsichtig mit den Fingern über die Blüte strich.
Ich wünschte, ich könnte dir helfen. Aber das war leider nur ein Traum.
»Hallo.«
Erschrocken drückte Corrie die Blüte aus Versehen zusammen und hörte ein unschönes Knirschen, als sie die ihr so vertraute Stimme hinter sich hörte. Glücklicherweise war Enid nicht so erstaunt darüber, Aides zu sehen, wie Corrie es war, und ersparte ihrer Freundin so einen peinlichen Auftritt.
»Aides, schön, dich zu sehen. Du erinnerst dich doch an Corrie, nicht wahr?«
Corrie sah, wie Aides ihre Freundin einen Moment lang mit gerunzelter Stirn ansah, ehe er sich mit einem Lächeln an Corrie wandte. »Wie könnte ich sie vergessen?«
Wie schaffte er es, dass ihr Herz schon wieder schneller schlug, wenn er sie nur ansah? Corrie spürte noch nicht einmal, ob ihr bei seinem Kompliment das Blut in die Wangen schoss. Nur mit halbe m Ohr hörte sie zu, wie Enid sich mit einer offensichtlichen Ausrede auf die andere Seite des Blumenstandes zurückzog.
»Ich habe sehr gehofft, dass wir uns noch einmal sehen«, gestand Aides, und Corrie fühlte sich, als habe man einen Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch losgelassen. Die Erinnerungen an ihren Traum kehrten zurück, und sie versuchte, sie zu verbannen. Es half ihr nicht, sich vorzustellen, wie es wäre, von ihm im Arm gehalten zu werden.
»Es freut mich auch, Sie wiederzusehen«, gab Corrie bereitwillig zu und suchte nach etwas, worüber sie reden konnten. Hatten sie sich auf der Party noch stundenlang ungezwungen unterhalten, so fühlte sie sich nun sehr nervös
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