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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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persönlich. Die meisten waren in ihrem Alter, vermutlich war der Fremde also der Sohn eines dieser Bekannten.
    Er hatte tiefgrüne Augen, die mich seltsam fesselten und innehalten ließen. Sein Blick war gleichzeitig durchdringend, besorgt und – beeindruckend.
    »Kara.« Josh kam in dem Moment auf mich zu, und ich schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Fremde mich an den Armen festhielt und damit vermutlich einen Sturz verhindert hatte. Dankbar nickte ich dem Mann zu, trat einen Schritt zurück und überließ Josh die Führung.
    Er grüßte den Unbekannten mit einem Nicken und führte mich weg von ihm. Joshs Hand lag warm auf meinem Rücken. »Geht es dir gut?«
    Sicherlich sah ich alles andere als gut aus. Obwohl ich heute Morgen viel mehr Zeit als sonst vor dem Spiegel verbracht hatte, wusste ich genau, dass die tiefen Augenringe durch das Make-up hindurchschimmerten und dass ich so weiß war wie die Kapellenwand. Wie sollte es mir also gut gehen? Dennoch nickte ich mechanisch.
    Während wir uns ein wenig von den verbliebenen Gästen absonderten, blickte ich mich um. Der fremde Mann sah mir nach, und als sich unsere Blicke trafen, biss ich mir unwillkürlich auf die Unterlippe. Er sah mich freundlich an und wurde dann von Mia in ein Gespräch verwickelt. Unwillkürlich runzelte ich die Stirn. Woher kannte Mia diesen Mann?
    »Wir müssen los«, holte Josh mich aus meinen Gedanken zurück. Ich sah ihn an und nickte. Er hatte Recht. Zu Hause würden bald die Gäste eintreffen, und um die musste ich mich kümmern – auch wenn ich mich am liebsten verkrochen hätte.
    »Ich hole nur schnell meine Tasche«, erwiderte ich. Josh ergriff meine Hand und streichelte sie sanft. Als er dabei über den Ring an meinem Finger strich, wurde mir wieder etwas wärmer ums Herz. Den Verlobungsring hatte er mir vor zwei Wochen geschenkt, und noch immer bekam ich bei der Erinnerung daran Herzklopfen. Wenigstens funktionierte mein Herz noch. Doch abgesehen davon hatte ich die vergangenen Wochen in einer Art Trance erlebt.
    Natürlich freute ich mich, Mia und Jeremy wiederzusehen, und war dankbar für Joshs Unterstützung und seine starke Liebe zu mir. Doch im tiefsten Innern war ich wie betäubt. Es würde mich wundern, wenn ich überhaupt noch so etwas wie Sorge oder Angst fühlte.
    Die Kapelle leerte sich langsam, was mich dazu zwang, weiterzugehen. In der vordersten Bank fand ich meine Tasche und eilte nach draußen. Ich wollte nicht allein hierbleiben, denn Kirchen oder Kapellen verursachten mir immer eine Gänsehaut. Zumindest im leeren Zustand.
    Als ich die schwere Tür aufstieß und in die winterliche Kühle hinaustrat, blieb ich verwundert stehen. Auf einmal lag eine weiße Decke aus Schnee über allem, und noch immer rieselten kleine Flocken vom Himmel. Ich streckte die Hand aus und ließ die Schneeflocken auf meiner Haut schmelzen. Es tat gut, das Gefühl von sanfter Kälte zu spüren. Grandma hatte den Schnee geliebt.
    »Kara!« Mia winkte mir von der gegenüberliegenden Straßenseite zu. Geduld war noch nie ihre Stärke gewesen, aber davon abgesehen war ich tatsächlich spät dran.
    Ich eilte die Stufen hinunter und versuchte, die Erinnerungen an schneeverwehte Nachmittage zu verdrängen, die ich gemeinsam mit meinen Großeltern und Mia verbracht hatte.
    »Entschuldigung!«, rief ich einem älteren Mann zu, der wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht war und den ich beinahe umgerannt hätte. Noch im Laufen drehte ich mich um und wollte nachsehen, ob er in Ordnung war, doch er ging einfach weiter, als wäre nichts geschehen.
    Hätte ich gewusst, dass dieser Mann einer der letzten Menschen sein würde, die ich in meinem Leben sah, hätte ich woanders hingeschaut. Zu Mia und Jeremy. Zu Josh. Nicht aber zu einem Fremden.
    Das Quietschen der Bremsen klang unnatürlich laut, bohrte sich in meinen Kopf und überdeckte das Geräusch der leise rieselnden Schneeflocken. Gleichzeitig hörte ich wie aus weiter Ferne einen gellenden Schrei. Ich wusste nicht, ob es mein eigener Schrei war oder der von jemand anderem. Als Letztes sah ich ein dunkles Auto, das mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf mich zukam.

2
    Am Anfang war da eine angenehme Wärme auf meiner Haut, wie ein Streicheln von Sonnenstrahlen. Etwas kitzelte an meinem Knie. Ich versuchte zu blinzeln, doch das grelle Licht zwang mich dazu, die Augen wieder zu schließen und mich auf meine anderen Sinne zu konzentrieren.
    Auf einmal nahm ich

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