5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
sein?
Ruckartig zog ich meine Hände zurück und starrte meine Großmutter an, die gar nicht hier sein durfte, weil sie doch tot war. Sie war diejenige, die gestorben war, aber doch nicht ich!
»Kara … «
Ich schüttelte den Kopf und wandte mich ab. Das musste ein Traum sein, eine andere logische Erklärung gab es nicht. Ein völlig verrückter, makabrer Traum. Ich musste mich nur genug anstrengen, dann würde ich wieder aufwachen. In einem Krankenhaus, umringt von den Menschen, die ich liebte und die mir noch geblieben waren.
»Kara, das hätte nicht passieren dürfen.« Grandma ging um mich herum, suchte meinen Blick. »Du verstehst nicht, Liebes.« Wieder griff sie nach meinen Händen, umfasste sie mit ihren warmen, lebendigen Fingern und hielt meinen Blick fest. »Es ist ein schrecklicher Fehler passiert. Deine Zeit war noch nicht gekommen.«
Ich schluckte schwer. »W-was heißt das?« Meine Zeit war noch nicht gekommen? Ich war also doch nicht tot? Was hatte das alles zu bedeuten?
Grandma führte mich zu der Bank unter dem Apfelbaum, auf der ich als Kind so häufig gesessen und gelesen hatte.
»Du bist tatsächlich gestorben«, wiederholte sie leise und eindringlich. Ihr mütterlicher Tonfall zerschnitt mir beinahe das Herz. Vor diesem Traum hätte ich alles dafür gegeben, Grandma noch einmal zu sehen und ihre Stimme zu hören. Doch jetzt? Jetzt wollte ich einfach nur zurück, wollte, dass dieser Albtraum ein Ende hatte.
»Sie werden dich zurückschicken. Dein Tod war zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht geplant. Irgendjemand hat einen fatalen Fehler gemacht.«
Großartig! Und für diesen Fehler hatte ich mit meinem Leben bezahlen müssen. Gleichzeitig keimte Hoffnung in mir auf. Mich zurückzuschicken bedeutete, dass ich mein bisheriges Leben einfach weiterleben konnte, oder? Dass die Zeit zurückgedreht wurde und ich niemals vor dieses Auto gerannt war.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, als würde es kälter werden. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Der sonnige Apfelgarten wirkte auf einmal sehr düster, als hätte jemand ein schwarzes Tuch darübergelegt und würde alles in tiefe Finsternis tauchen.
Grandma rief nach mir, aber ich konnte sie kaum noch erkennen. Ich streckte meine Hand nach ihr aus, doch alles um mich herum verschwamm zu einem dunklen Wirbel, und meine Großmutter verschwand. Mein letzter Gedanke war, dass ich nun endlich aus diesem Albtraum erwachen würde.
3
Die Klänge einer vertrauten Melodie weckten mich. Mühsam schlug ich die Augen auf, blinzelte und versuchte mich zu orientieren.
Ich konnte mich an alles erinnern, an mein gesamtes Leben, die letzten Wochen, die Beerdigung und den Unfall. Erschreckenderweise war der Traum ebenso klar in meinem Gedächtnis verankert, als hätte ich all das tatsächlich erlebt. Das war natürlich völliger Quatsch.
Zu den absurd fröhlichen Klängen von Do You Believe in Magic schälte ich mich aus dem Bett und tappte in Richtung Badezimmer. Mir war noch immer nicht klar, was tatsächlich mit mir geschehen war. Im Moment wusste ich nur, dass mein Kopf wehtat.
Blindlings griff ich nach der Zahnbürste und begann, mir die Zähne zu putzen, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen. Ich wusste sehr genau, wie zerknittert ich morgens aussah, und mit meinem schmerzenden Kopf wollte ich mir diesen Anblick ersparen.
Vielleicht hatte das Auto mich nur gestreift und ich war mit dem Kopf aufgeschlagen und hatte anschließend nichts mehr mitbekommen. Josh und Mia hatten mich dann nach Hause gebracht, und hier war ich nun. Völlig zerschlagen und erledigt, wie nach einer durchfeierten Nacht. Verrückt, was die eigene Fantasie produzierte, wenn man zu heftig mit dem Kopf gegen etwas gestoßen war.
Während ich mich wusch und das kühle Wasser mich ein wenig wacher machte, entdeckte ich etwas an meinem rechten Arm, das gestern definitiv noch nicht da gewesen war. Mechanisch drehte ich das Wasser ab und starrte auf die Innenseite meines Handgelenks. Direkt über den Adern schlängelte sich ein Symbol, das mich an eine umgefallene Acht erinnerte. Das Muster schimmerte so perfekt wie ein Tattoo auf meiner Haut, doch es besaß keine Farbe, sondern war tatsächlich eine Narbe.
»Woher … ?«, murmelte ich entgeistert und blickte nun in Richtung Spiegel.
Ich wünschte, jemand hätte mich auf diesen Augenblick vorbereitet, denn er riss mir beinahe wortwörtlich den Boden unter den Füßen weg. Meine Hände krallten sich am
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