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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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niemals Matts Ding gewesen. Meines auch nicht. Fast wollte ich mich nur noch auf den Boden gleiten und vom Regen wegspülen lassen. Mich einfach forttragen lassen in meinem Nachthemd, bis ich meinen Platz auf der Welt gefunden hatte. Oder zumindest eine Idee, wo ich nach ihm suchen sollte. Meine Aufgabe war getan. Und es war friedlich hier oben. Die Nacht klang nach dem abendlichen London. Und nach Freiheit. Und einem Auto. Dann stand ich am Rand der Brüstung, ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte. Ein offenes Cabriolet. Mit offenem Dach fuhr im Regen nur jemand, dem sein Auto einerlei war, und es gab im Londoner Börsenviertel nur einen Mann, dem sein Auto einerlei war.
    »Warte!«, schrie ich, so laut ich konnte. Ein Blick aus grauen Augen fand mich. Fand mich am Rand des Daches, in fünfzig Metern Höhe. »Warte. Warte. WARTE !«
    Schrie ich noch oder flüsterte ich schon? »Ich hasse dich, Matthew Delaware!«
    Eindeutig ein Schrei. Fast glaubte ich, ihn lachen zu hören. Ein Lachen, das mich einhüllte wie eine warme Decke. Mein Herz war eingehüllt in seine Liebe, sodass es niemals mehr zerbrechen würde, komme, was wolle. Die Vergangenheit war vorbei, und ich trauerte ihr nicht nach.
    »Und ich liebe dich, Gracy.«
    Unter den tausend Gründen zu bleiben war das der eine Grund zu gehen.
    »Ich liebe dich auch.«

Für Mimi

1
    »Mein aufrichtiges Beileid«, sagte er und streckte mir die Hand entgegen.
    »Danke.« Ich schüttelte seine Hand und blickte in ein Gesicht, das mir irgendwie vertraut vorkam.
    »Ihre Großmutter war eine großartige Frau«, meinte der Mann mit den grauen Schläfen. Er war ein guter Freund meiner Grandma gewesen. Leider fiel mir sein Name partout nicht ein.
    »Ja, das war sie. Danke.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. Er erwiderte es und ging weiter.
    »Kara«, erklang eine leise Stimme neben mir.
    Ich drehte mich um. Meine Schwester Mia und ihr Mann Jeremy standen vor mir. Die beiden hatten so viel mit ihrem Geschäft zu tun und dennoch alles daran gesetzt, zur Trauerfeier zu kommen, um mir beizustehen. Allerdings taten sie es eher mir zuliebe als für Grandma, denn zu ihr hatten sie in den letzten Jahren nur noch sporadischen Kontakt gehabt.
    Erleichtert ließ ich mich in Mias vertraute Umarmung sinken und schloss die Augen. Nur einen Moment tief durchatmen. Nur einen Moment lang nicht die Starke spielen.
    »Alles okay, Schwesterchen?« Mias Stimme war dicht an meinem Ohr, während sie mir über das lange Haar strich.
    »Es geht schon«, log ich und löste mich von ihr. Der Moment der Schwäche war vorüber. Ich zwang mich zu einem Lächeln, auch wenn mir erneut die Tränen kamen. Schnell blinzelte ich sie weg.
    »Ich bin so froh, dass ihr hier seid.« Das war ehrlich gemeint, denn ohne die beiden hätte mir etwas gefehlt.
    »Ich weiß gar nicht, wie du das alles geschafft hast.« Mia blickte sich um, während Jeremy mir einen mitfühlenden Blick zuwarf und sich um die anderen Trauergäste kümmerte.
    Ich nickte lediglich. Was sollte ich auch sagen? Einer hatte sich um die Beerdigung und die anschließende Trauerfeier kümmern müssen, und das war nun mal ich. Doch zum Glück war ich nicht alleine. Ich bedachte die beiden mit einem matten Lächeln.
    Wir wandten uns wieder den Menschen zu, die Grandma gekannt hatten und jetzt ihren Tod betrauerten.
    Ich schüttelte jemandem die Hand und ignorierte dabei den leisen Schwindel, der mich plötzlich überkam. Hatte ich heute überhaupt etwas gegessen? Ich wusste es nicht einmal. Die vergangenen Tage waren wie in Nebel gehüllt. Kleine Details fielen mir ein: wie ich das Geschirr weggeräumt und Grandmas Bett ein letztes Mal gemacht hatte. An andere Dinge konnte ich mich hingegen nur noch verschwommen erinnern. Das Gespräch mit dem Arzt. Das Treffen mit dem Bestatter. Die ersten Tage nach Grandmas Tod.
    Als endlich nur noch vereinzelte Leute in der Kapelle standen, drehte ich mich um und knickte dabei auf meinen hohen Schuhen um. Unvermittelt stieß ich mit jemandem zusammen. Ich bin es einfach nicht gewohnt, hochhackige Schuhe zu tragen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte eine tiefe Stimme und ließ mich in ein fremdes Gesicht aufblicken.
    »Ich … ähm, ja. Entschuldigen Sie.« Der Mann musste ungefähr in meinem Alter sein, höchstens ein paar Jahre älter, und ich hatte ihn noch nie gesehen. Was nicht verwunderlich war. Viele von Grandmas Freunden und Bekannten kannte ich nur flüchtig, manche von ihnen bis heute nicht einmal

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