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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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begegnet, und schon damals hatte sie mit Josh in Verbindung gestanden. War sie eine Arbeitskollegin? Eine Geschäftspartnerin? Oder bloß eine Bekannte? Ich wusste es nicht mehr. Meine Erinnerungen an diesen Tag waren verschwommen.
    Ein paar Minuten schaute ich mir die Szene an, dann hielt ich es nicht länger aus. Ich musste ihn sehen. In diesem Moment erschien Josh im Türrahmen, kam der Frau entgegen und nahm ihr lächelnd einen der Kartons ab. Vielleicht waren sie nur gute Freunde, und sie brauchte gerade eine Wohnung. Oder Josh benötigte Beistand nach meinem Tod.
    Ich öffnete die Autotür, setzte meinen Fuß auf den Asphalt und stieß prompt mit jemandem zusammen. Vielmehr stieß die Tür mit jemandem zusammen.
    »Oje, Entschuldigung!«, stieß ich mit mir fremder und gleichzeitig vertrauter Stimme hervor und stieg eilig aus. Meine Tür hatte den Mann in der Seite getroffen, nicht besonders stark, aber sicher hatte es wehgetan.
    »Kein Problem«, japste er, hielt sich die Hüfte und zeigte ein gequältes Lächeln. Dunkle Haarsträhnen fielen ihm in die Augen und verdeckten diese für einen Moment. Erst als er sich wieder aufrichtete, konnte ich sein Gesicht erkennen – und war nun diejenige, die nach Luft schnappte.
    Ein markantes Gesicht mit einem nachlässig wirkenden Dreitagebart blickte mir entgegen. Grüne Augen sahen mich durchdringend an. Fast wirkte er ein wenig besorgt. Ich hätte schwören können, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben, doch mir wollte es partout nicht einfallen, wo.
    »Geht’s Ihnen wirklich gut?«, fragte ich nach, da seine Hand noch immer auf seiner Hüfte lag. Er war deutlich größer als ich und schien durchtrainiert zu sein. So ein kleiner Schubs sollte ihm eigentlich nicht viel anhaben, aber vielleicht hatte ich ihn doch härter getroffen.
    »Alles in Ordnung«, lächelte er jetzt und nahm die Hand von der hoffentlich nicht allzu schmerzenden Stelle. Ich atmete auf.
    »Langsam gewöhne ich mich daran, von hübschen Frauen angerempelt zu werden«, meinte er vielsagend.
    Verwundert blickte ich ihn an. War das ein Scherz oder vielleicht ein Kompliment? Doch er grinste nicht dabei und sah mich stattdessen ernst und durchdringend an. Ich schüttelte den Kopf und wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Haus zu.
    Josh stand auf dem Weg und nahm keine Notiz von uns. Seine Augen waren auf die Blondine gerichtet, die ihm jetzt lachend um den Hals fiel. Er umarmte sie fest und hob sie ein Stück vom Boden hoch.
    In diesem Moment fühlte ich, wie etwas in mir zerbrach. Ich machte einen Schritt auf die beiden zu, einen Schritt auf die Straße, und mein Arm begann im gleichen Augenblick zu schmerzen. Wie Feuer brannte das Mal auf meinem Handgelenk, ein Feuer, das langsam über meine Haut kroch und sich mehr und mehr ausbreitete. Es tat nicht unerträglich weh, aber angenehm war es auch nicht. Wahrscheinlich war der Schmerz in meiner Narbe nur eine Spiegelung der Qualen, die in meinem Innersten brannten. Was sollte ich bloß tun? Was sollte ich mit diesem neuen, fremden Leben anfangen?
    Vage erinnerte ich mich an Grandmas Worte. Sie werden dich zurückschicken. War das die Erklärung? Hatte mir irgendjemand dort oben mein altes Leben genommen, nur um es mir auf diese Weise zurückzugeben? Das war nicht fair und es war nicht das, was ich wollte. Ich wollte mein altes Leben und mein altes Ich zurück, und kein neues, aber gebrauchtes Leben einer Frau, die ich nicht einmal kannte. Warum konnte das hier kein Traum sein, aus dem ich gleich wieder aufwachte? Ob im Krankenhaus oder im Apfelgarten meiner Großmutter war mir inzwischen egal. Ich wollte einfach nur hier raus.
    Der Anblick von Josh, glücklich vereint mit einer anderen Frau, war zu viel für mich. Es war zu viel für mich, in einem fremden Körper und in einem fremden Leben aufzuwachen. Selbst dieser Mann neben mir war mir zu viel. Ich konnte nicht mehr.
    Ich musste herausfinden, was geschehen war und wie ich es wieder rückgängig machen konnte.

4
    Es war ein seltsames Gefühl, vor seinem eigenen Grab zu stehen. Meine Finger fuhren die eingravierten Buchstaben auf dem Stein nach. Mein Name. Mein Geburtsdatum. Und mein Todesdatum.
    Der Stein fühlte sich warm an, die Gravur wirkte frisch. Sonnenstrahlen schienen auf mein Grab, vor dem Blumen ihre Köpfe im Wind wiegten. Irgendjemand kümmerte sich um mein Grab. Die Kerze war noch nicht ganz abgebrannt, und ein frischer Blumenstrauß stand in einer Vase neben dem Stein.
    Die

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