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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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diesmal ließ ich die Tränen zu. Meine Hände umklammerten krampfhaft die Lilie, wollten sie nicht loslassen, weil ich mich mit dieser Geste endgültig von meiner Grandma verabschieden musste. Von der Frau, die immer für Mia und mich da gewesen war, ganz besonders nach dem Tod unserer Eltern. Grandma war zugleich Mutter und Großmutter für mich gewesen. Von ihr hatte ich gelernt, was richtig und was falsch war. Nach meinem ersten Liebeskummer hatte sie mich getröstet, und mit ihr zusammen hatte ich die Äpfel im Garten geerntet.
    Der Garten. Ich blinzelte gegen den plötzlichen Schwindel an. Woher kam bloß die Redewendung, dass sich auf einmal die ganze Welt zu drehen beginnt? Um mich herum stand alles still, doch in meinem Inneren begann es sich zu drehen, als würde ein Kreisel wie wild in meinem Kopf rotieren.
    »Kara?« Ich spürte eine Hand auf meinem Rücken. »Alles in Ordnung?« Ich schüttelte den Kopf. Nichts war in Ordnung. Absolut gar nichts.
    Mein Blick fiel auf die Lilie, die meine zittrigen Hände festhielten. Ich konnte das nicht. Ich konnte nicht Lebewohl sagen. Unmöglich. Nicht nach allem, was geschehen war.
    Schnell wischte ich mir über die Wangen und sah zu Noah auf. »Bitte lass uns gehen«, flüsterte ich.
    Es war mir egal, wo er mich hinbrachte. In diesem Moment war es mir sogar egal, welche Antworten er mir auf all meine Fragen geben würde. Ich wollte einfach nur weg, wollte die Augen schließen und erst wieder aufwachen, wenn alles so war wie früher.
    Noah hakte mich auf dem Weg zurück fest unter, während ich immer noch die Lilie fest an mich drückte.

5
    »Danke.« Mit einem matten Lächeln bedankte ich mich bei dem Kellner, als dieser eine große Tasse vor mir abstellte. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee verströmte etwas Beruhigendes. Ebenso die warme Tasse, die meine Hände umfassten.
    Ein paar der Gesprächsfetzen im Café drangen zu mir durch. Irgendjemand redete über die neueste Mode, ein anderer beschwerte sich über seinen Chef und wollte sich einen neuen Job suchen. Ich hätte alles darum gegeben, mich mit solchen Problemen herumzuschlagen, statt mit jenen, die zentnerschwer auf meinen Schultern lasteten.
    Gleichzeitig war das Treiben im Café irgendwie beruhigend. Es bot mir etwas, das ich schon längst verloren geglaubt hatte: Normalität.
    Wahrscheinlich hatte Noah ganz bewusst diesen Ort ausgewählt, um mit mir zu reden. Ein öffentlicher Platz, ein Ort, an dem ich mich einigermaßen wohlfühlte und nicht mit ihm alleine war. Wären wir uns zu einem anderen Zeitpunkt begegnet, hätte ich diese Rücksicht sehr zu schätzen gewusst, doch im Moment fühlte ich nur Leere in mir. Sogar die Panik, die seit dem Aufwachen meine Kehle umklammert hatte, war jetzt verschwunden. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und alle Emotionen auf stumm geschaltet, und dafür war ich dankbar.
    Noahs aufmerksamer Blick lag fast die ganze Zeit auf mir. Das spürte ich, ohne ihn anzusehen. Doch ich brauchte noch eine kleine Atempause ganz für mich, bevor ich mich dem Gespräch stellen konnte.
    Erst als ich mir relativ sicher war, dass meine Hände nicht mehr zitterten, hob ich die Tasse an meine Lippen und trank einen Schluck. Der Kaffee wärmte mich, jedoch nur kurz. Denn innerlich war mir furchtbar kalt.
    Dann gab ich mir einen Ruck. »Also«, begann ich, tief durchatmend.
    Noah sah auf. »Also«, wiederholte er. Ein winziges Lächeln huschte über sein Gesicht und ließ mich ebenfalls lächeln, auch wenn mir nicht danach zumute war.
    Wo sollte ich nur anfangen? In meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos, also versuchte ich mich auf das Wesentlichste zu konzentrieren.
    »Du bist also ein Zurückgesandter?«, fragte ich ihn. Wenn ihm dasselbe passiert war wie mir, was bedeutete das dann? Ich hatte nicht die geringste Ahnung.
    Noah nickte. Er führte seine Tasse zum Mund und trank einen Schluck Kaffee. Er überlegte sich genau, wie er die Antworten formulieren sollte, auf die ich so dringend wartete.
    »Weißt du, in jedem großen Plan gibt es winzige Fehler. Ausnahmen von der Regel«, begann er und stellte die Tasse ab. »Du und ich, wir sind solche Ausnahmen im Kosmos.«
    Ausnahmen im Kosmos? Ich runzelte die Stirn. Der rationale Teil in mir wollte ihm erwidern, dass das völliger Quatsch sei. Ich sollte besser aufstehen und gehen. Doch ich brauchte so dringend eine Erklärung, dass ich mich an jedes von Noahs Worten klammerte.
    »I-ich verstehe nicht«, stammelte ich

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