5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
flüsterte Noah zurück.
Es brauchte ein, zwei Versuche, doch dann konnte ich ihn vor mir sehen. Erst noch verschwommen, dann immer klarer. Die markanten Gesichtszüge, die grünen Augen und das dunkle Haar. Der Dreitagebart, an den ich mich so schnell schon gewöhnt hatte. Selbst die kleine Narbe von diesem Motorradunfall auf seiner Stirn.
»Hi … «, hauchte ich.
Seine Augen leuchteten auf. »Hi.« Wie versprochen strich er mir ein weiteres Mal über die Wange und lächelte auf mich hinab. »Du bist zurück.«
»Ja … « Ich wollte nach seiner Hand greifen, doch in diesem Moment öffnete sich die Tür und ein weiß gekleideter Mann betrat den Raum. Erst jetzt realisierte ich, dass ich in einem Krankenhaus war. Mein Körper war an zig Kabel angeschlossen, die mich mit mehreren Geräten verbanden.
»Sie sind aufgewacht, sehr schön«, begrüßte der Mann mich und stellte sich als Dr. Bennett vor. Sein prüfender Blick ging zwischen Noah und mir hin und her.
Ich runzelte die Stirn. »Wieso sollte ich nicht wieder aufwachen?« Ich blickte zu Noah, der einen Schritt zurückgetreten war, meine Hand aber noch immer festhielt.
»Ein paar Minuten warst du … «, begann er zögernd.
Ich sah ihn verständnislos an. Sollte das heißen, ich war tot gewesen?
»Sie waren ohne Vitalfunktionen, konnten aber reanimiert werden.« Dr. Bennett holte einen Kuli aus seinem Kittel und klappte die Akte auf, die er in den Händen hielt.
»Können Sie mir Ihren Namen sagen?«
Ich sah zwischen den beiden hin und her. Mein Blick blieb an Noah hängen, als ich schließlich antwortete: »Eve. Mein Name ist Eve Livingston.« Der Name in meinem neuen, in meinem jetzigen Leben. Es erfüllte mich mit einer seltsamen Mischung aus Stolz und Demut, den Namen meiner Grandma mein Eigen nennen zu dürfen.
»Sehr gut. Woran können Sie sich erinnern, Miss Livingston?«, fragte Dr. Bennett weiter.
Mein Blick blieb auf Noah gerichtet, studierte seinen Gesichtsausdruck, bis ich nichts mehr wahrnahm, außer seinen Augen.
»An alles. Ich erinnere mich an alles«, flüsterte ich.
Noahs Augen weiteten sich. Er wirkte überrascht und besorgt, doch ich schüttelte beruhigend den Kopf. Alles war in Ordnung. Ich schaute ihn liebevoll an und drückte seine Hand.
Sobald wir wieder allein waren, zog Noah einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Meine Hand lag noch immer in seiner und sein Zeigefinger strich über die Narbe an meinem Handgelenk.
»Ich verstehe das nicht«, murmelte er nach einer Weile. Es war das erste Mal, dass ich so etwas aus seinem Mund hörte. Irgendwie beruhigend zu wissen, dass auch er nicht über alles Bescheid wusste, was zwischen Himmel und Erde geschah.
»Ich bin gestorben«, sagte ich leise. »Aber erst danach habe ich mich entschieden. Erst dann habe ich gesehen, was wirklich wichtig ist.«
Seine Augen wurden eine Spur dunkler, das Lächeln auf seinem Gesicht weicher. »Deshalb kannst du dich noch erinnern?«
Ich überlegte einen Moment, nickte dann aber. »Jetzt kann ich das. Ich vermute, dass es nicht so bleiben wird.« Aber ich war endlich bereit, loszulassen und mein neues Leben zu beginnen. Mit dem Wissen, dass es all den Menschen, die mir so wichtig waren, gut ging. Dass sie ihren Frieden gefunden hatten – so wie ich.
»Was ist mit Mia?«, hakte er leise und vorsichtig nach.
Ich senkte den Blick. Mia loszulassen fiel mir am schwersten. Dennoch wusste ich, dass sie kein Teil meines Lebens mehr sein konnte. Sie hätte sich etwas anderes für mich gewünscht als den Tod.
»Sie hat Jeremy und ein Kind, das in ihr heranwächst.« Obwohl ich glücklich für sie war, musste ich bei dem Gedanken schlucken. Ich wäre gerne Tante geworden. Vielleicht eines Tages und in einem anderen Leben. Und außerdem würden wir uns wiedersehen. So oder so.
»Weißt du, was du mir nie gesagt hast?«, fragte ich Noah unvermittelt und zog ihn zu mir heran.
»Nein. Was?«
»Wie dein Name in diesem Leben ist. Du hast dich mir als Noah vorgestellt, aber Noah stand auf dem Grabstein. Das war der Name in deinem alten Leben.«
Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde eine Spur breiter. Er hob die freie Hand und ließ seine Finger über meine Wange gleiten. Ich schloss die Augen bei der inzwischen vertrauten Berührung, öffnete sie gleich darauf jedoch wieder, um ihn anzusehen.
»Adam«, murmelte er schließlich. »Mein Name in diesem Leben ist Adam.«
Ich ließ den Namen in mir nachhallen und kam zu dem Schluss, dass er zu ihm
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