50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
um den Feind zu erfassen, wurde aber in demselben Augenblick selbst gepackt. Steinbach hatte ihn mit einer schraubenartigen Bewegung seiner Arme hart hinter den Handgelenken ergriffen und dabei seine Hände so verdreht, daß, wenn er sie wieder in die rechte Lage brachte, Falehds Arme ebenso verdreht werden mußten. Er zog diese mit einem furchtbaren Ruck an sich. Da brüllte der Riese auf. Seine Arme waren ihm durch dieses unvorhergesehene Manöver fast aus den Achseln gedreht worden und hingen einen Augenblick lang schlaff herab. Diesen Augenblick benutzte Steinbach, faßte den Goliath bei den Hüften, hob ihn hoch empor, schmetterte ihn zu Boden und versetzte ihm, sich leicht bückend, zugleich einen Faustschlag an den Schädel, daß man es weithin dröhnen hörte.
Das war natürlich viel, viel schneller geschehen, als man es zu erzählen vermag. Man hatte die gedankenschnell aufeinanderfolgenden Bewegungen Steinbachs gar nicht unterscheiden können. Es war klar, daß er durch seine Gewandtheit und Besonnenheit dem Riesen überlegen war, aber daß er dabei auch eine so horrende Körperkraft entwickelte, das war beinahe undenkbar, das versetzte alle in solches Erstaunen, daß sie geradezu vergaßen, ihm Beifall zu spenden.
Steinbach aber wandte sich zum dritten Mal zur Königin um und meldete:
„Rakam salahsa, el ard – Nummer drei, auf der Erde!“
Da brach es los. Erst halblaut und einzeln, dann aber stärker und immer stärker erhoben sich die Beifallsrufe. Alle, außer den Anhängern Falehds, fühlten es wie Erlösung über sich kommen. Der Riese war ihnen ein wirklicher Tyrann gewesen, ohne daß sie es sich gegenseitig offen eingestanden hatten. Bei dem Blick auf die hohe, edle, ritterliche Gestalt des Deutschen hatte ein jeder ihm im stillen den Sieg gegönnt und ihn heimlich bedauert, da er ja von allen für verloren betrachtet wurde. Jetzt aber, wo er stolz neben dem Feind stand, wie der Löwe an der Leiche des von ihm erlegten riesigen Krokodils des Nils, fragte man sich zunächst, ob dieser unerwartete Sieg denn auch in Wirklichkeit bestehe, und als man sich überzeugte, daß es keine Täuschung sei, brach der Jubel desto lauter und aufrichtiger hervor. Wäre Falehd Sieger geworden, ihm hätte man gewiß nicht einen solchen Beifall gespendet.
Obgleich alle Anwesenden förmlich elektrisiert waren, bewegte sich doch keiner von seinem Platz. Das Schauspiel war ja noch nicht zu Ende. Nur Kalaf, der Alte, trat auf Steinbach zu, gab ihm die Hand und sagte:
„Du hast wahr gemacht, was du gestern während unseres nächtlichen Spaziergangs zu mir sagtest. Ich habe es für unmöglich gehalten. Allah hat dir die Stärke des Elefanten und den Stolz des Löwen gegeben. Meine Worte sind unzureichend zu deinem Lob, darum schweige ich lieber. Ist Falehd tot?“
„Ich will einmal nachsehen.“
Steinbach fühlte dem Riesen an das Herz. Es schlug, wenn auch sehr langsam und leise.
„Er lebt noch. Er ist nur besinnungslos.“
„Töte ihn!“
„Meinst du das im Ernst?“
„Ja. Du hast dein Messer im Gürtel. Stoße es ihm in das schwarze Herz!“
„Ich bin kein Mörder.“
„Er befindet sich aber in deiner Gewalt!“
„Es wurde ja festgestellt, daß der Besiegte um Gnade bitten darf.“
„Er hat es nicht getan, er hat sogleich die Besinnung verloren. Wie lange soll der Sieger auf die Bitte warten? Sein Leben gehört dir!“
„Ich werde ihn erst wieder zum Bewußtsein kommen lassen, mich aber versichern, daß er unschädlich ist.“
Damit zog Steinbach mehrere Riemen aus der Tasche.
„Was willst du?“
„Ihn binden.“
„Welche Schande für ihn! Fesseln getragen zu haben, das verwindet kein Beduine. Falehd kann dich unmöglich um Schonung, um sein Leben bitten. Hast du diese Riemen stets bei dir?“
„Nein. Ich brachte sie nur zu dem Zweck mit, ihn zu fesseln.“
„So genau wußtest du, daß du Sieger sein würdest?“
„Ja.“
„Du bist ein großer Mann. Binde ihn und komm dann zur Königin.“
Normann trat auch herbei.
„Ich gratuliere!“ sagte er im Ton aufrichtigster Bewunderung. „Das war ein Meisterstück. Ich gestehe, daß ich für Sie gezittert habe!“
„Pah! Ich kannte mich und hielt ihn zwar für stark, aber auch für dumm und unbeholfen. Daß ich mich da nicht geirrt habe, bedarf gar keines Lobes. Wollen Sie mir helfen, ihm die Arme und Beine zu binden? Es geht rascher.“
„Gern. Ah! Sehen Sie den Kerl an! Welch ein schreckliches Gesicht! Sie haben ihm die
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