50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
demselben Preis rangen.
Als der Beschluß verkündet wurde, löste sich die bisherige Ordnung der Zuschauer auf. Das Ziel war hoch, und so konnte man es auch aus größerer Entfernung sehen.
Die Spannung, die sich der Leute bemächtigte, war vielleicht noch größer als die vorherige. Man kannte Tarik als den vorzüglichsten Schützen, aber man hatte auch bereits vernommen, was Normann über Steinbach gesagt hatte, nämlich, daß er niemals einen Fehlschuß tue. Man brannte also förmlich darauf, den Ausgang dieses interessanten Duells zu erfahren. Jetzt, da es nicht mehr um das Leben ging, hätten sich gern noch viele andere zum Kampf gemeldet.
Tarik entfernte sich, um sich Munition zu den fünf Schüssen zu holen. Auch Steinbach sagte zu Normann:
„Ich will mein Gewehr holen. Bleiben Sie hier bei dem Riesen, um zu verhindern, daß er sich mit seinen Freunden ins Einvernehmen setzt.“
„Befürchten sie eine Heimtücke?“
„Ich traue weder ihm noch ihnen. Er wird sich jedenfalls zu rächen suchen.“
„Oh, er wird ja sterben.“
„Das wollen wir nur abwarten.“
„Er wird doch nicht die fürchterliche Schande auf sich laden, um sein Leben zu bitten!“
„Ich traue es ihm aber doch zu. Übrigens werde ich ihn auf keinen Fall töten.“
„So muß er, wenn er wirklich ein tapferer Mann ist, sich selbst umbringen. So erheischen es die grausamen Sitten dieser halbwilden Völkerschaften.“
„In diesem Fall würde er wohl erst mich umbringen, hinterrücks natürlich. Darum sollen Sie ihn jetzt bewachen, damit er isoliert bleibt.“
„Schauen Sie her! Er ist noch besinnungslos.“
„Meinen Sie? Ich sah seine Wimper zucken und glaube, daß er sich nur so stellt. Er hat das Bewußtsein bereits wieder, schämt sich aber, seinem Überwinder in das Angesicht zu sehen.“
Steinbach ging nach der Ruine, von der er bald, das Gewehr in der Hand, zurückkehrte.
Es gab in der Nähe der Ruine ein außerordentlich reges, lärmendes Treiben. Man stritt hin und her, man bot sich Wetten an. Steinbach war Zeuge, daß mehrere auf ihn wetteten, und zwar setzten sie einen Preis, der im Verhältnis zu ihrem Besitz ein sehr bedeutender war. Das tat ihm leid. Darum ließ er die verschiedenen Parteien vor sich kommen und bestimmte sie, den Wortlaut der Wetten dahin zu formulieren, daß der Ausdruck ‚Fehlschuß‘ mit aufgenommen wurde.
Ein junger Beni Sallah hatte eine Zeltstange geholt und sie an der angegebenen Ecke befestigt. Er legte dann einen etwa faustgroßen Stein auf die Spitze derselben und trat nachher zurück, um nicht etwa selbst getroffen zu werden.
Die beiden Wettenden wurden darauf von dem alten Kalaf auf einen für sie freigelassenen Platz geführt. Dort saß auch die Königin mit Hiluja. Ihr Vater hatte sich einen anderen Punkt gewählt, von dem aus er das Ziel beobachten wollte. Die Königin winkte Tarik zu sich heran und bat leise:
„Gib dir ja Mühe, keinen Fehlschuß zu tun!“
„Hab keine Sorge!“ beruhigte er sie. „Ich werde alle fünf Male treffen.“
„Gib mir die Kugeln!“
Er gab sie ihr, sie aber schloß sie in ihre hohlen Hände und flüsterte dabei die Worte des Korans:
„Das sind die Kugeln, von Allah gesegnet. Sie eilen an ihr Ziel, von Engeln getragen, und nichts vermag sie aufzuhalten oder aus der Richtung zu bringen. Selbst der neunmal gesteinigte Teufel hat keine Gewalt über sie. Allah sei Dank für seine Güte!“
Viele Beduinen glauben, daß keine Kugel, über die diese Worte gesprochen worden sind, fehlgehen könne. So sagte auch Tarik, als Badija ihm die Projektile wieder zurückgab:
„Ich danke dir! Nun werde ich den Stein ganz sicher von der Stange schießen. Ich bin unbesiegbar.“
Der Augenblick des Kampfes war endlich gekommen. Alles blickte mit Spannung auf Steinbach und Tarik.
„Wer schießt zuerst?“ fragte letzterer.
„Masr-Effendi“, antwortete Kalaf. „Er ist der Sieger von vorher und auch ein vornehmer Mann, dem man Höflichkeit schuldig ist.“
„Ich lasse Tarik den Vorrang“, antwortete Steinbach. „Er ist ein Sohn der Beni Sallah. Wenn es sich um eine Tochter der Beni Sallah handelt, hat er also das Recht, vor mir zu schießen.“
Dies gab einen kurzen, freundschaftlichen Streit, den wieder die Ältesten entscheiden mußten. Sie taten dies zugunsten Steinbachs, mit der Begründung, er wolle den Beni Sallah eine Ehre erweisen, und so zieme es sich auch für diese, höflich gegen ihn zu sein, indem man ihm seinen Wunsch erfülle.
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