50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
Gegenstand die Ältesten zu beraten hatten. Es galt das Glück und die Zukunft der Königin. Als daher die drei Schläge ertönten, richteten sich aller Augen zur Ruine empor. Und da erklang auch schon die Stimme des Rufers:
„Hört meine Stimme und preiset Allah, der die Welt erleuchtet und dem Alter Verstand und Weisheit gibt! Es ist im Rat der Ältesten beschlossen worden, den verwaisten Beni Sallah einen neuen Scheik zu geben. Wer wird es sein, ihr Gläubigen? Falehd wird es sein, der Bruder des Verstorbenen. Falehd oder derjenige, der ihn im Kampf auf Leben und Tod besiegt. Darum wird die Stimme des Fragenden an drei aufeinanderfolgenden Abenden ertönen, ob es einen Tapferen gibt, der mit ihm kämpfen will. Drei Fragen an jedem Abend macht neun Fragen. Ist die neunte ohne Antwort erschallt, so gehört Badija, die Witwe und Königin, dem Bruder des Verstorbenen!“
Das ganze Lager harrte lautlos der folgenden Augenblicke. Ein jeder wußte, daß sich wohl keiner melden werde, denn eine solche Meldung war eine Anweisung auf den sicheren Tod. Der Ausrufer hatte seine Kunstpause bald beendet und fuhr fort:
„So ertöne denn die erste Frage: Gibt es einen, der mit Falehd kämpfen will um den Besitz der Königin der Wüste?“
Tarik wollte aufstehen und antworten. Da schlang die schöne jungfräuliche Witwe in ihrer Herzensangst beide Arme um ihn und bat flehend:
„Still! Um Allahs willen, sei still! Horch!“
Ein lautes „Ich!“ war nämlich plötzlich vorn in der Gegend der Treppe erklungen. Kein Mensch hatte dies erwartet, selbst der Ausrufer nicht. Daher dauerte es auch eine ganze Weile, bis dieser in seinem maßlosen Erstaunen sich auf seine Pflicht besann, nunmehr die weitere Frage zu tun:
„Wer bist du? Wie lautet dein Name?“
„Ich bin Hilal, der Sohn des Blitzes!“
Das mußte alle Hörer in Erstaunen setzen, denn sie wußten ja, daß Hilal einen sehr weiten Ritt unternommen hatte. Und nun ertönte so unvermutet seine Stimme von der Ruine herab.
„Hilal ist da! Er will mit ihm kämpfen!“ rief Tarik erregt. „Das darf nicht sein! Laß mich, laß mich fort! Ich muß zu ihm, zu ihm!“
Im nächsten Moment riß er sich los und eilte zu Hilal.
„Hilal, mein Bruder, du bist zurück?“
„Ja. Allah grüße dich!“
„Dich auch.“
Sie lagen sich in den Armen. Bald aber riß Tarik sich los, an die Gefahr denkend, in die sich der geliebte Bruder seinetwegen stürzen wollte.
„Um des Himmels willen, du willst mit ihm kämpfen?“
„Ja.“
„Er tötet dich!“
„Warten wir es ab!“
Das klang zwar sehr trotzig und siegesgewiß. Tarik aber war nicht derselben Meinung und entgegnete:
„Du darfst nicht. Ich werde es tun!“
„So tötet er dich!“ lachte Hilal.
„Eher mich als dich! Wie, du lachst?“
„Ja! Ich lache.“
„Die Sache ist ernst!“
„Warte es ab!“
Diese Worte waren ebenso rätselhaft wie Hilals Lachen.
„Ich verstehe dich nicht. Wann bist du gekommen?“
„Vor kurzer Zeit.“
„Ich habe doch nichts gehört und nichts gesehen.“
„Ich kam heimlich und bringe gute Botschaft. Horch!“
Der Ausrufer hatte sich inzwischen von seinem Erstaunen erholt, in welches ihn die Nennung des Namens Hilal versetzt hatte, und begann zum zweiten Mal:
„Hört, ihr Gläubigen! Ein Kämpfer hat sich gefunden, ein wackerer Held …“
„Den ich fressen werde, wie die Sonne das Wasser frißt!“
Alles schwieg ängstlich, denn es war Falehds laute Stimme gewesen, die diese Worte gesprochen hatte. Endlich fuhr der Ausrufer fort:
„So ertönt also meine Frage zum zweiten Mal: Gibt es noch einen, der mit ihm kämpfen will?“
„Ja“, antwortete es auch jetzt.
„Wer bist du?“
„Tarik, der andere Sohn des Blitzes.“
Da erscholl hinter den Steinen hervor ein unterdrückter Schrei, den die Königin ausgestoßen hatte.
„Wundere dich nicht“, flüsterte Tarik seinem Bruder zu. „Badija ist dort hinten und hat unsere Namen gehört.“
„Ich weiß es.“
„Ah! Woher? Kein Mensch hat sie gesehen.“
„Ihr seid doch gesehen und gehört worden.“
Tarik wollte fragen, von wem, aber da ließ sich Falehd abermals vernehmen:
„Er wird seinem Bruder in die Hölle nachfolgen, wo sie heulen und wimmern werden in alle Ewigkeit! Frage weiter, Muezzin, ob sich wohl ein dritter finden wird, der so wahnsinnig ist, mit mir zu kämpfen!“
Eine solche Szene hatte es bei den Beni Sallah noch nie gegeben. Selbst der Ausrufer war unterbrochen worden, ein höchst
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