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50 Rituale für das Leben

Titel: 50 Rituale für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Glaubenskraft und Lebenskraft der vergangenen Geschlechter. Sie spürt in diesen
Ritualen die tiefen Wurzeln, aus denen sie lebt. Sie hat teil an dem Glauben, der die Großmutter und den Urgroßvater befähigt hat, ihr Leben in schweren
Zeiten zu bewältigen. Aber die Rituale müssen immer wieder mit Sinn erfüllt werden, und sie brauchen ein behutsames Vollziehen. Nur so werden sie für
uns stimmig und schenken uns Anteil an der Sehnsucht, die die Menschen seit jeher mit Weihnachten verbunden haben, an der Sehnsucht nach Frieden, nach
Liebe, nach Geborgenheit, nach einem neuen Anfang, nach der Nähe des heilenden Gottes.

    Überlegen Sie sich, welche Rituale in Ihrer Familie üblich waren. Versuchen Sie, diese alten Rituale neu mit Sinn zu füllen.
    Oder aber überlegen Sie, welches Ritual für Sie passt.
    Wenn in diesem Jahr ein lieber Mensch gestorben ist, den Sie jetzt an Weihnachten vermissen, dann stellen Sie eine Kerze an die Krippe und stellen sich vor, dass er oder sie jetzt im Himmel das Geheimnis der Menschwerdung schaut, während wir es hier im Glauben feiern. Dann geht Ihnen vielleicht auf neue Weise auf, was Weihnachten bedeutet.
    Im Hause Bonhoeffer war es ein schönes Ritual, vom Christbaum einen Zweig abzubrechen und ihn auf das Familiengrab zu legen. Christus, der geboren wurde, damit wir nicht für immer sterben, möge auch den Verstorbenen ewiges, unvergängliches Leben schenken.

    Überlegen Sie früh genug, wie Sie den Heiligen Abend feiern wollen. Und wenn es in Ihrer Familie verschiedene Vorstellungen darüber gibt, sprechen Sie früh genug darüber. Das Gespräch über die Rituale wird sich nicht nur um die äußeren Formen drehen, sondern letztlich um unsere Beziehungen: Können und wollen wir noch gemeinsam ein Fest wie Weihnachten feiern? Oder müssen wir uns eingestehen, dass wir uns so auseinandergelebt haben, dass ein gemeinsames Fest nicht mehr gelingt?
    Bevor wir uns das eingestehen, sollten wir jedoch noch einmal überlegen, was alles uns gemeinsam doch noch trägt und wie wir das an Weihnachten zum Ausdruck bringen können.
36. WEIHNACHTEN: CHRISTUS IN MEINEM HERZEN
    Weihnachten ist ein Familienfest. Aber es ist auch ein Fest der Mystik, ein Fest der Stille. Daher braucht es auch persönliche Rituale, die ich an Weihnachten allein für mich vollziehe. Wenn ich immer nur mit den anderen zusammen bin, fehlt mir etwas Wesentliches von Weihnachten. Ich brauche auch die Stille und die Einsamkeit, damit ich die Geburt Jesu Christi in meinem Herzen erahne.
    Für mich gibt es eine Gebärde, die für die Weihnachtszeit passt und das Geheimnis dieser Zeit gut zum Ausdruck bringt. Es ist die Gebärde der Hände, die ich übereinander in die Brustmitte halte. Es gibt die Haltung der überkreuzten Arme über der Brust. Das ist die Gebärde, die Tür zu schließen und den inneren Raum der Stille zu schützen. Davon unterschieden ist diese weihnachtliche Gebärde. Ich spüre mit beiden Händen die Wärme in der Brustmitte. Und ich spüre die Sehnsucht, die in meiner Brust aufsteigt. In der Sehnsucht spüre ich mich selbst, und ich spüre Gott. In der Sehnsucht nach Liebe erfahre ich die Liebe. Und in der Sehnsucht nach Geborgenheit fühle ich bereits Heimat.
    In der Weihnachtszeit verweist mich diese Gebärde auf die Geburt Jesu in meinem Herzen. Ich kann mir die Wärme vorstellen, die das Lächeln des Kindes im Stall von Bethlehem verbreitet, und das milde Licht, das dem Stall eine angenehme Atmosphäre schenkt. Im Mittelalter haben die Beginen (Frauen, die sich zu religiösen Gemeinschaften zusammenschlossen) und Klosterfrauen in dieser Gebärde dassogenannte «Kindleinwiegen» praktiziert. Das kommt uns etwas fremd vor. Aber es war ein Weg, das Geheimnis von Weihnachten mit Leib und Seele zu erahnen und zu erspüren.
    Wenn ich das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach höre, dann halte ich meine Hände in die Brustmitte und wiege mich hin und her bei den beiden Alt-Arien «Bereite dich, Zion, mit zärtlichen Trieben» und «Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh». Dabei erahne ich, was Bach mit der Musik ausdrücken will: dass die Geburt Jesu in unserem Herzen geschieht und dass sie uns mit Zärtlichkeit und Liebe erfüllt. Dann verwandelt Weihnachten meine Selbstwahrnehmung: Ich blicke nicht mehr mit einer Brille der Selbstentwertung auf mich, sondern ich schaue im Licht von Weihnachten, dass mein Herz voll von Licht und Liebe ist. Das schenkt mir inneren Frieden.
    Die Gebärde der

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