52 - Aufruhr auf Kregen
wußte, daß ich meine Gesichtszüge verändern konnte, und tatsächlich hatte er wissend genickt, als Tralgan Vorner von seinem neuen Antlitz berichtete.
Die ganze Zeit über, während wir das verfluchte Phantom gejagt hatten, war Nalgre Nevko unser Kamerad gewesen und trug dieses widerwärtige Ungeheuer in sich!
Das Phantom war nicht in kleine Stücke zerfallen, weil wir es mit Hunderten von Pfeilen durchbohrten, sondern weil Nalgre von dem panikerfüllten Mob von ihm abgedrängt worden war. Als sich das zweite Phantom unter unseren Blicken auflöste und in den Kanal fiel, war das geschehen, weil Nalgre verletzt und von Yavnin Purvun davongetragen worden war. Wahrlich, wir waren so blind gewesen wie neugeborene Welpen.
Tralgan fuhr auf seine triumphierende Weise fort. Er berichtete von der Forderung des Phantoms, Dray Prescot vernichten zu wollen. Bei diesen Worten blickte jeder auf. »Da du aber deine Meinung über mich zum Ausdruck gebracht hattest, Jis, konnte ich nicht gehorchen. Ich muß zugeben, ich litt dabei unter Todesangst. Aber ...« Er verstummte und legte eine Hand an die Lippen.
»Die unnötigen Morde erfüllten mich mit Abscheu. Es war nur Nath Swantram übriggeblieben. Ich hatte ihn mir bis zum Ende aufgespart, und ich hoffte, daß der Cramph in Erwartung seines kommenden Endes zitterte.«
Tralgan erzählte, daß er dann eine Entscheidung traf. Er sandte das Phantom aus – und lief fort, so schnell er konnte. »Ich wartete darauf, daß das Ungeheuer mir seine Macht entgegenschleuderte, daß es Feuerlanzen abschoß, um mich zu verbrennen.«
»Hm. Soweit ich weiß, können Zauberer diese gewaltigen Blitze geistiger Energie nur gegeneinander richten. Aber ich könnte mich irren.«
Vor meinem inneren Auge stieg sofort das Bild von Deb-Lu und seinem Kampf gegen das Phantom auf, bei dem die Königin von Gramarye auf so unheilvolle Weise hin- und hergeschwankt war, und ich hoffte von ganzem Herzen, daß meine Annahme der Wahrheit entsprach.
Tralgan sprach schnell weiter, atemlos und aufgeregt. »Begreifst du nicht? Ich floh und ließ das Phantom zurück. Ich hörte seine Schreie. Für gewöhnlich ist es stumm. Es kreischte und jammerte.« Er blickte sich um, genoß den Augenblick des Sieges mit vollen Zügen. »Dann verstummte es. Ich war zu weit weg. Es ist zu kleinen Stücken verfault!«
»Opaz sei Dank!« rief Tobi aus.
»Also ist das Ungeheuer endlich tot«, sagte Naghan Raerdu.
»Also komme ich zu spät, um diesen Rast zu zerstückeln!« meinte der alte Hieb-und-Stich. »Nun, wenigstens bin ich hier.«
Ich warf Tralgan Vorner einen durchdringenden Blick zu. »Ich danke dir für deine Sorge um mein Leben – und für deinen Mut. Offensichtlich war das ganze eine schreckliche Erfahrung für dich.« Ich streckte die Hand aus. »Nimm sie, Tralgan. Willkommen zurück im Leben.«
Wir schüttelten uns mit dem dazugehörigen Ernst die Hand.
Tralgan setzte sich, und Tobi brachte ein Glas. Die Hand, die den Wein dann hob, war nicht ganz sicher. Tralgan trank. »Kann sich einer von euch das Entsetzen vorstellen, das von mir Besitz ergriff? Allein Wut, Haß und die Aussicht auf süße Rache hielten mich am Leben. Oh, wie sehr ich mich an die Vergeltung klammerte!«
»Hm«, sagte Yavnin und setzte sich auf seinem Stuhl zurecht. »Das ist eine ziemlich düstere Art und Weise, sein Leben zu führen. Aber man kann es verstehen.«
»Ich werde euch sagen, was das schlimmste daran war. Die Einsamkeit raubte mir jeden Mut. Ich fühlte mich leer, verbraucht. Die Angst vor den Thaumaturgen hat mich immer begleitet. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so allein gefühlt.«
Wieder kehrte jenes bedeutungsvolle Schweigen ein, nur unterbrochen vom Schaben des Schleifsteins. In den Geräuschen des Schärfens lag eine gewisse zielstrebige Bedächtigkeit. Dann sagte Tralgan Vorner: »Ich fühlte mich von der Welt abgeschnitten, völlig allein. Dann lernte ich dich kennen, Tobi, und dich, Yavnin. Und dich, Jis.« Er hob die Hand. »Ich kann euch nicht sagen, was eure Freundschaft mir bedeutet hat. Ich bin davon überzeugt, daß sie mich vor dem Wahnsinn bewahrte.«
Wieder sagte keiner etwas. Nun, um der süßen Liebe Opaz' willen, es gab auch wenig, was man dazu hätte sagen können, oder?
»Das ist jetzt alles vorbei, Tralgan. Vom Wind davongetragener Rauch«, sagte ich schließlich etwas schwülstig.
Das brach die Anspannung, man brachte weiteren Wein, und wir fuhren mit unseren sorgfältigen
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