52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
künstlerische Fotos von Frauen, die auch ein bisschen Fleisch auf den Schenkeln haben und deren Schambehaarung noch nicht brasilianischen Methoden zum Opfer gefallen ist. Auf den Websites der meisten anderen Online-Shops im Dienste der Erotik wimmelt es dagegen von scharfen jungen Dingern, die ihre dünnen Körper dem männlichen Blick darbieten. Ich frage mich, wie viele Typen das Zeug kaufen und dann enttäuscht sind, wenn sie es am Körper ihrer eigenen Partnerin sehen. Dem können wir doch gar nicht gerecht werden. Trotzdem ziehe ich ein kurzes Höschen namens Bridgette in Betracht – bis ich es von hinten sehe. Ich bin mir einfach unsicher, ob meine Arschspalte ein eigenes Fensterchen verdient. Und wahrscheinlich verrät Ihnen allein schon die Tatsache, dass ich sie so nenne, alles, was Sie wissen müssen.
Niedergeschlagen klicke ich mich durch die Seiten und frage mich, ob scharfe Dessous tatsächlich das sind, was ich brauche. Schließlich ist es ja nicht so, dass ich auf das Niveau von Unterhosen im Fünferpack und grau gewordenen Büstenhaltern herabgesunken wäre. Ich möchte sogar behaupten, dass meine Wäsche eher ziemlich gut aussieht, denn schließlich weiß man ja nie, wann man von diesem legendären Bus überfahren werden könnte.
Ich spüre, wie sich Widerstand in mir regt. Warum muss
ich überhaupt etwas kaufen, um sexy zu sein? Und wann hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass es diverser Accessoires bedarf, um miteinander schlafen zu können? Himmel noch mal, inzwischen gibt es vibrierende Schwanzringe schon in Drogerien zu kaufen, zwischen Zahnbürsten und Babywindeln. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir unsere Sexualität unter dieser Reizüberflutung verlieren.
Nachdem das geklärt ist, klappe ich meinen Laptop zu und frage mich, was ich bloß anstellen soll, wenn ich nur auf meine eigene Fantasie angewiesen bin.
Dezember
Verführung Nr. 1
DAS ERSTE DATE
D er Tag der ersten Verführung ist da, und ich stelle fest, dass ich erschöpft darüber nachdenke, warum eigentlich immer ich für Anlässe wie Geburtstage zuständig bin. Warum muss wieder ich mir die erste Verführung überlegen? Vielleicht könnten wir heute Abend ein gutes Gespräch darüber führen und eventuell ein Schaubild dazu anfertigen. Mit einem Schaubild weiß man immerhin, woran man ist.
Aber dann wird mir irgendwann (genau genommen so gegen 17 Uhr, also eine Stunde bevor Herbert zu Hause sein wird) klar, wie gemein das wäre. Es soll bei dieser Angelegenheit schließlich nicht darum gehen, etwas gegeneinander aufzurechnen und die üblichen kleinen Gemeinheiten fortzuführen. Vielmehr soll eine Verführung doch ein Akt der Selbstlosigkeit, eine Geste des guten Willens sein. Der Widerstand, der sich in mir regt, wurzelt sowieso eher in Angst als in echtem Unmut.
Also stürze ich ins Bad und schaffe es, ohne allzu großes Blutvergießen meine Beine und Achseln zu rasieren. Das nehme ich schon mal als gutes Omen. Da ich schon nicht mit der versprochenen Verführung aufwarten kann, sollte ich zumindest hübsch aussehen, wenn er heimkommt. Ich versprühe ein wenig Parfum und erwäge, das ziemlich scharfe rote Kleid anzuziehen, das ich auf der letzten Weihnachtsparty getragen habe. Nein, denke ich dann, ich werde mich heute Abend nicht als eine andere verkleiden, sondern lieber ich selbst sein. Ich möchte entspannt wirken und mich in meiner Haut wohlfühlen. Als herausgeputzter Truthahn würde mir das sicher schwerfallen. Das hätte mehr als nur einen Hauch von Vorstadt-Hausfrau. Nach kurzem Zögern ziehe ich Strümpfe mit Naht an, darunter mein hübschestes Spitzenhöschen, außerdem einen Jeansrock und einen gestreiften Pulli. Als ich in den Spiegel schaue, bin ich erleichtert, dass ich darin ziemlich normal aussehe, höchstens ein wenig besser als sonst.
Erst als ich mich schminke (mit reichlich schwarzem Kajal wegen Herberts Faible für Gwyneth Paltrow in Die Royal Tenenbaums ), kommt mir eine Idee: Wie wär’s, wenn wir nochmal ganz von vorn anfangen würden?
Als ich Herbert kennen lernte, wohnte ich noch bei meiner Mutter, daher verbrachte ich die Wochenenden bei ihm zu Hause. Dafür packte ich meine Sachen zum Übernachten immer in ein braunes, altmodisches Köfferchen und traf mich im Pub mit ihm. Seither hat Herbert immer wieder mit verschleiertem Blick erzählt, dass er wusste, das Glück wäre
ihm hold, wenn er mich mit dem Köfferchen ankommen sah. Der besagte Koffer ist schon längst
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