52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
hinter der geschlossenen Schlafzimmertür in die gleichen Stereotypen flüchten? Ändern Pornos das Verhalten von Frauen gegenüber Männern oder liefern sie nur Stoff für Fantasien? Kann es nicht sexistische Pornos geben – und wenn, wären sie dann noch sexy?
Herbert stimmt zwar all meinen Bedenken gegen Pornos zu, sagt aber, dass es ihn trotzdem anmacht, Männern und Frauen beim Sex zuzusehen. »Es gibt schließlich Pornos und Pornos«, meint er irgendwie kryptisch. Ich interpretiere das mal so, dass er unechte Blondinen mit Schlauchbootlippen und künstlichen Titten ebenso ungern betrachtet wie ich.
Herbert wollte tatsächlich, dass ich ihm bei der Wahl des Films helfe, was ich jedoch abgelehnt habe. »Leih einfach das aus, was du dir aussuchen würdest«, sage ich.
»O nein, das mach ich nicht«, erwidert er und schaut mich dabei erschrocken an.
»Willst du etwa sagen, dass du einen perversen Geschmack hast, der mich zu sehr schockieren würde?«
»Nein. Nein! Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, was ich für mich kaufen würde. Das ist schon zu lange her. Ich will
bloß sichergehen, dass du dich durch den Film nicht beleidigt fühlst.«
Dann brütet Herbert für den Rest der Woche über diesem Problem. Er scheint sich mehr Sorgen zu machen als ich. Schließlich verkündet er nach großem Hin und Her, dass er sich für einen »Klassiker« entschieden hätte: The Devil in Miss Jones, von dem ich noch nie gehört habe und den er selbst auch noch nicht gesehen hat. »Der soll sogar eine Handlung haben«, berichtet er mir, »außerdem ist er aus den Siebzigern, sodass die Leute noch normal aussehen sollten. Hoffentlich.«
Großartig. Bestimmt irgend so ein softer Pseudo-Aufklärungsfilm für Erwachsene. Von der ersten Sekunde an werde ich eines Besseren belehrt. Zuerst kann ich das leicht grobkörnige Bild gar nicht erkennen, bis mir klar wird, dass es sich um eine Nahaufnahme der Vagina der Hauptdarstellerin handelt, die ihre Finger hineinschiebt und wieder herauszieht.
»Was für ein Anblick!«, sage ich schockiert, als mir auch schon klar wird, dass ich wie meine eigene Mutter klinge. Nein, streichen Sie das: wie meine Großmutter. »Tut mir leid«, sage ich schnell und nehme mir vor, etwas aufgeschlossener zu sein. Dann gieße ich mir erst einmal ein Glas Wein ein.
The Devil in Miss Jones leidet anfangs eher unter zu viel Handlung als zu wenig. Nach der kurzen Eröffnungsszene haben wir zehn Minuten Erklärungen (und einen Selbstmord) zu ertragen, bevor wir überhaupt irgendwelchen Sex zu sehen bekommen. Mit dem Bemühen um eine Handlung ist es dann aber zum Glück vorbei, und wir sehen den Verlust von Miss
Jones’ Jungfräulichkeit, ein paar beherzte Blowjobs, Vaginalsex, Analsex, lesbischen Sex, zwei Frauen mit einem Mann, zwei Männer und eine Frau … ach ja, dazu noch ein paar bizarre Szenen als Pausenfüller.
Ich muss zugeben, dass es beruhigend ist, relativ normalen Frauen mit kleinen Brüsten beim Sex zuzuschauen. Die Partnerin bei Miss Jones’ lesbischer Begegnung hat sogar erschreckend haarige Oberschenkel. Und Miss Jones wird, wie Herbert ausdrücklich betont, weder ausgebeutet noch erniedrigt, sondern sie scheint willig und begeistert bei der Sache zu sein. Außerdem übernimmt sie rasch die Führung bei ihren sexuellen Abenteuern.
Ergibt das schon einen nicht-sexistischen Film? Nein, nicht unbedingt. Es zeigt eher eine Frau, die extrem scharf auf das ist, was Männer mögen – sie vollzieht ehrfurchtgebietende Blowjobs (bei denen sie auch noch die ganze Zeit über den Penis erzählt, wie wunderbar er sei), sie braucht kein Vorspiel, um zu fantastischen Höhepunkten zu gelangen, und sagt so hübsch selbstlose Sätze wie: »Oh, es tut so weh, aber hör nicht auf.« Insgesamt handelt The Devil in Miss Jones vor allem davon, wie Sex sich für Männer anfühlt – viel Rein und Raus und alles in Nahaufnahme.
Sex hat für mich viel mit Berührung zu tun, weniger mit visueller Stimulation. Und ich staune immer noch ein bisschen, wenn ich weibliche Genitalien aus männlicher Perspektive sehe – so nehme ich meine eigenen nämlich überhaupt nicht wahr.
Ein Kabarettist hat mal den Witz gerissen, sein Freund
habe seine erste Vagina erst mit 36 gesehen. »Und was hast du gedacht?«, fragte er ihn. Sein Freund zuckte bloß mit den Achseln. »Das sah einfach irgendwie wund aus.« Als ich Miss Jones’ Vagina in Großaufnahme sehe, kann ich mich des gleichen Eindrucks nicht erwehren. Beim
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