52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
Freunden lebte. Doch Herbert war entschlossener als ich. »Ich werde jedes Wochenende zu dir rauffahren«, verkündete er eines Abends, und er hielt die ganzen drei Jahre hindurch Wort. Dieser Moment war wie ein Schleusentor, das sich für mich geöffnet hatte. Endlich erlaubte ich mir, meinem Gefühl zu trauen: Ich liebte ihn wirklich. Ein paar Monate nach Beginn meines Studiums, fuhr ich an einem Wochenende nach Hause. Ich hatte schreckliche Sehnsucht nach Herbert und die Nase bereits voll von den kleinen Gemeinheiten des akademischen Alltags. Er holte mich vom Bahnhof ab.
Ich erinnere mich, dass es schon dunkel war und regnete. Ich stieg ins Auto und war so erleichtert, wieder zu Hause zu sein. Als ich mich Herbert zuwandte, wich er jedoch ängstlich zurück. »Du wirst mich verlassen, nicht wahr?«, fragte er unter Tränen.
Herbert hatte in einige unbedachte Äußerungen und Gesten von mir viel zu viel hineininterpretiert, und wir waren beide sehr erleichtert, das aus der Welt schaffen zu können. Diesen Moment habe ich trotzdem nie vergessen. Plötzlich verstand ich die schreckliche Macht der Liebe.
Ich kann ehrlich behaupten, dass ich nie daran gezweifelt habe, Herbert immer zu lieben. Und ich war es ihm schuldig, ihm nie Grund zum Zweifeln zu geben. Ich verstehe, warum die Liebe in Herberts Augen etwas ist, das einem nur zu leicht entgleitet. Herberts Vater verließ seine Mutter wegen ihrer besten Freundin, als er acht war. Das ist heutzutage ja nichts Besonderes mehr; mein Vater hat uns auch verlassen. Aber der Unterschied zwischen uns ist, dass genügend andere Menschen um mich herum waren, die mich liebten und von denen ich wusste, dass sie mich nie verlassen würden.
Das galt für Herbert nicht. Seine Mutter hat erneut geheiratet, und zwar einen Mann, mit dem Herbert nicht zurechtkam. Deshalb zog er mit 14 von zu Hause aus. Er lebte dann einige Zeit bei seinem Vater und dessen neuer Frau, aber dort fühlte er sich auch nicht willkommen, und so landete er bei seiner älteren Schwester. Mit 17 wohnte Herbert dann schließlich allein.
Das mag jetzt alles sehr traurig klingen, doch das ist es in
Wirklichkeit nicht. Es ist ein Triumph, weil dieser kleine Junge zu einem der liebevollsten, zärtlichsten und aufmerksamsten Männer herangewachsen ist, die ich kenne, und noch dazu wirklich sexy aussieht. Die Angst, die ihn damals quälte, ist inzwischen ziemlich tief begraben. Wenn ich sie manchmal trotzdem spüre, dann nur, weil ich ihn so genau kenne.
Wenn ich mich mit Herberts Augen sehe, dann überlege ich mir oft, was für ein Risiko ich für ihn darstellen muss, diese Frau, die er schon unzählige Male hätte verlieren können, die sich jedoch, und das ist wichtig, für ihn entschieden hat. Und zwar nicht halbherzig, sondern für immer und komme, was da wolle. Ich kann mich zwar nicht zu einem wöchentlichen Yogakurs entschließen, weil mir die Verpflichtung zu groß erscheint, aber zu Herbert kann ich bereitwillig »für immer« sagen, weil ich einfach weiß, wenn mir etwas Gutes begegnet.
Verführung Nr. 16
NICHT JUGENDFREI, TEIL EINS
W egen einer unaufschiebbaren Atemwegsinfektion (oder möchte irgendjemand Sex mit bellendem Husten? Wohl eher nicht.) ist diese Verführung schon längst überfällig.
Ehrlich gesagt, sind Herbert und ich in den letzten Wochen wieder in unser altes Muster der Enthaltsamkeit zurückgefallen. Und mein Körper hat mich trotz Sexentzug bislang noch keine libidinösen Gelüste verspüren lassen. Soweit ich weiß, geht es Herbert auch nicht anders. Es ist enttäuschend zu sehen, dass sich außerhalb der geplanten Verführungen kaum etwas geändert hat. Wir kommen nach wie vor ganz gut ohne Sex zurecht. Leider. Noch dazu hatte ich nun Zeit, mir Sorgen über die bevorstehende Verführung zu machen. Es war Herberts Vorschlag, zusammen einen Porno anzuschauen. Weil die Hollywoodfilme für seinen Geschmack zu zahm sind.
Ich habe ein schwieriges Verhältnis zu Pornos. Anscheinend
kann ich mein feministisches Denken nicht lange genug abschalten, um damit klarzukommen. Ein Teil meiner Abschlussarbeit war die Analyse eines Textes zu diesem Thema, und damals wie heute kann ich die Ideologie, die dahintersteht, nicht unkommentiert lassen. Haben wir das Recht, die Frauen, die darin agieren, als Opfer zu bezeichnen, selbst wenn sie sich selbst nicht als solche betrachten? Ist es fair, Pornos für ihre miesen Klischees in Bezug auf die Geschlechter zu verdammen, wenn wir uns selbst
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