52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
wette, Sie warten schon eine ganze Weile darauf, nicht wahr?«
»Seit zwei Jahren, mehr oder weniger.«
»Keine Sorge. Wir schieben Sie bald irgendwo dazwischen.« Sie zwinkert mir zu, überfliegt noch einmal meine Unterlagen und erklärt mir in den folgenden zehn Minuten, was für eine Vollidiotin meine Hausärztin sein muss.
Als ich ins Wartezimmer trete, bin ich einerseits von den kafkaesken Mechanismen unseres Gesundheitswesens verwirrt und andererseits geradezu ärgerlich, weil es diesen beiden Krankenschwestern gelungen ist, meine ganze Sorge und Empörung durch ihr bloßes Mitgefühl zu absorbieren.
Verführung Nr. 17
DIE MACHT DES »JETZT«
I ch denke nach wie vor viel über mein schwaches Verlangen nach und darüber, wie ich es neu beleben könnte. Ich weiß, es ist da, und manchmal sehe ich es sogar auf dem Schirm meines Radars. Aber es streunt herum und ist nicht zu fassen.
Ein Teil des Problems ist, dass es mir schwerfällt, mir selbst einzugestehen, wenn mich etwas anmacht. Und wenn ich es schon mal bemerke, dann stellt sich eine seltsame Verlegenheit schon ein, wenn ich nur daran denke, Herbert davon zu erzählen. Ich muss einen Weg finden, diese Verlegenheit irgendwie zu überwinden.
Die Idee, auf die ich in diesem Zusammenhang gekommen bin, ist denkbar einfach: Wir schicken uns gegenseitig jedes Mal das Wort »Jetzt« per SMS, wenn wir an Sex denken. Mehr brauchen wir nicht zu sagen, und wir müssen auf dieses Signal auch nicht reagieren. Es geht vielmehr darum, uns der Existenz unserer individuellen Sexualität zu vergewissern.
Ich hoffe, dass wir dadurch in eine sich steigernde Erregung geraten, solange wir voneinander getrennt sind, die in ein Feuerwerk im Schlafzimmer mündet, sobald wir nach Hause kommen. Als ich das vorschlage, stelle ich mir vor, dass vier- bis fünfmal am Tag »Jetzt«s in beide Richtungen verschickt werden. Wie ich uns kenne, ist diese Erwartung aber wohl ein wenig zu hoch angesetzt.
In der Tat gibt es am ersten Tag kein einziges »Jetzt«, auch am zweiten nicht. Ich für meinen Teil beobachte im Geiste quasi permanent meine Genitalien, um kein noch so kleines Signal von Erregung zu versäumen. Nichts. Wenn das Ganze überhaupt etwas bewirkt, dann, dass ich mich mehr denn je wie ein vertrocknetes altes Zweiglein fühle und eben nicht wie eine sexuell aktive Frau, die sich auf ihre Lust einstimmt, während sie darauf wartet, dass ihr Geliebter endlich nach Hause kommt. Am Ende des zweiten Tages erwäge ich, ein »Jetzt« vorzutäuschen, aber das erscheint mir dann doch zu unaufrichtig.
Ich denke, Herbert muss doch sicher mehr »Jetzt«-Momente erleben als ich. Heißt es nicht, dass Männer alle sieben Sekunden an Sex denken? Vielleicht hat er meine E-Mail nicht richtig gelesen. Oder vielleicht schmachtet sein Handy wie üblich mit leerem Akku auf dem Grund seiner Tasche.
Aber nein. Als ich ihn darauf anspreche, zuckt er mit den Schultern und lacht. »Ich weiß!«, sagt er. »Ich hatte gar keine Vorstellung davon, wie selten ich an Sex denke.«
Am dritten Tag komme ich zu dem Schluss, dass das ein Schuss in den Ofen war und ich wohl noch mal ganz von vorn
anfangen muss. Doch dann – siehe da! – schickt Herbert mir eine Mail, in der es hauptsächlich um Transfers zwischen unseren Konten geht. Am Ende steht allerdings der Satz: »Ach ja, und übrigens ›jetzt‹.«
Allein das zu lesen beschert mir auch einen kleinen »Jetzt«-Moment, und das maile ich ihm gleich zurück. Er antwortet mit einem zwinkernden Smiley.
An diesem Abend schlafen wir trotzdem nicht miteinander. Bis wir beide zu Hause sind, haben wir es anscheinend vergessen. Am darauffolgenden Abend sehen wir uns überhaupt erst kurz vor dem Zubettgehen und wollen beide nur noch schlafen. Der nächste Tag ist jedoch ein Samstag, an dem wir mehr Zeit miteinander verbringen. Irgendwann am Nachmittag schleicht sich Herbert hinter mich, legt die Arme um mich und sagt: »Jetzt.« Anschließend haben wir den besten Sex seit Wochen. Und am Sonntag gleich noch mal.
Verführung Nr. 18
LADY BOY
U m halb neun am Sonntagabend stellt Herbert das Tablett mit dem Geschirr vom Abendessen ab und sagt: »Also, dann gehe ich jetzt mal rauf und rasiere mir den Bart ab.«
Meine Fresse, denke ich, er macht tatsächlich ernst.
Seit einem Monat schon droht Herbert mir eine Verführung in Frauenklamotten an. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er damit eine Fantasie ausleben oder nur eine bizarre Neugier stillen will.
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