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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Zahl vielleicht zweihundert, füllten die Hälfte des ganzen Raums.
    Das war es, was Sam hatte sehen wollen. Er schloß nun die Tür wieder zu und hing den Schlüssel in das Schränkchen zurück. Selbst wenn dieses letztere heute abend von dem Kreishauptmann geschlossen werden sollte, konnte es sehr leicht durch Aufsprengen geöffnet werden. Es war also nicht schwer, des Schlüssels habhaft zu werden.
    Jetzt endlich konnte Sam die Schlafstube verlassen. Sein Lauschen hatte ihm mehr eingebracht, als er vorher hatte denken können. Erfreut wandte er sich nach der Tür, aus der er heute hatte Gökala treten sehen, denn er mußte natürlich annehmen, daß sich da ihre Wohnung befinde. –
    Gökala war von dem, was sie durch den Kreishauptmann erfahren hatte, nämlich daß sie als eine Gefangene behandelt werden solle, sehr niedergeschlagen gewesen, wenn sie es sich auch nicht hatte merken lassen. Von den Worten Sams, die derselbe gegen den Willen des Hausherrn, und zwar in deutscher Sprache, an sie gerichtet hatte, war sie jedoch wieder einigermaßen getröstet und aufgerichtet worden.
    Sam war ihr natürlich ein Rätsel. Ein Deutscher hier in Sibirien und noch dazu einer, der ihren Namen kannte und auch noch weiteres von ihr zu wissen schien, das war ihr etwas ganz Unbegreifliches.
    Er hatte ihr die Versicherung gegeben, daß sie noch mehr von ihm hören werde, und so war es kein Wunder, daß sie eine große Wißbegierde hegte, zu erfahren, wer dieser Mann sei und was er von ihr wolle.
    Sie hatte die Zeit bisher ganz allein in ihrem Zimmer verbracht. Die Kreishauptmännin war zwar auf einige Minuten bei ihr gewesen, um ihr Tee und Gebäck zu bringen, aber von ihr so kurz und zurückhaltend behandelt worden, daß sie keine Lust gespürt hatte, länger, als unumgänglich nötig, zu verweilen.
    Da klopfte es leise an ihre Tür, und als sie in ziemlich mürrischem Ton „Herein!“ rief, da sie annehmen mußte, daß der Klopfende eine der zur Familie des Kreishauptmanns gehörige Person sei, ließ sich draußen eine weibliche Stimme vernehmen, die sagte: „Ich kann ja nicht hinein.“
    „Wer ist denn draußen?“ fragte nun Gökala.
    „Ich bin es, Karpala.“
    Sofort eilte Gökala an die Tür und sagte: „Ich bin eingeschlossen. Schließe auf; dann kannst du herein.“
    Jetzt schloß Karpala auf, zog von außen den Schlüssel ab, kam herein, und die beiden begrüßten sich auf das herzlichste. Sie hatten sich zwar nur erst einmal und auf kurze Zeit gesehen; aber sie fühlten bereits so freundschaftliche Gefühle füreinander, als ob ihre Bekanntschaft bereits eine langjährige sei.
    „Willkommen, herzlich willkommen!“ begrüßte Gökala das schöne Mädchen und umarmte es herzlich. „Das hätte ich nicht erwartet.“
    Karpala küßte sie schwesterlich auf den Mund und antwortete: „Weil man dich gefangenhält, nicht wahr, meine liebe Gökala?“
    „Ja. Hast du das gewußt?“
    „Gewiß.“
    „Auch daß niemand mich besuchen darf?“
    „Auch das hat man mir gesagt.“
    „Und dennoch bist du zu mir gekommen?“
    „Ja, um dich und den Kreishauptmann mit den Seinen für heute abend zu uns einzuladen. Ich bat zuerst vergeblich, dich mitzubringen, aber da kam Sam dazu und brachte es schnell soweit, daß meine Bitte erfüllt werden mußte.“
    „Das ist herrlich, erstens schon deinetwegen, und zweitens bin ich so lange Zeit meiner Freiheit verlustig gewesen, daß ich mich ganz glücklich fühle, einmal über mich selbst verfügen zu können. Dieser Sam muß doch ein außerordentlicher Mann sein.“
    Jetzt berichtete Karpala ausführlich, was seit der Ankunft der drei Amerikaner geschehen war. Natürlich erwähnte sie dabei, daß sie eigentlich die Verlobte des Rittmeisters sei, daß er sie damals beinahe habe ertrinken lassen und daß der Kosak Nummer Zehn sie vom Tod errettet. Sie malte das in den ihr eigentümlichen Farben in einer Weise aus, daß ihre Abscheu gegen den Rittmeister und ihre Zuneigung zu dem verbannten Kosaken aus einem jeden ihrer Worte hervorleuchtete.
    „Und so ist Jurji also nach dem Mückenfluß?“ fragte Gökala, als Karpala geendet hatte.
    „Ja.“
    „Da wird ihn vielleicht der Graf treffen. Er sagte es mir kurz vor seinem Abschied, daß auch er dorthin reise. Der Graf ist des Kreishauptmanns und des Rittmeisters Freund, und wenn er den Kosaken trifft und ihn als den Flüchtling erkennt, so dürfte er ihn sofort festnehmen.“
    „Ja, das ist wahr. Mein Gott, was ist da zu tun?

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