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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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antwortete:
    „Unter dem meinigen? Wie könnte das sein?“
    „Nun, zunächst ist es auch mir so, als ob Sie sich nur vorübergehend des Namens Adler bedienten.“
    „Ich wüßte keinen Grund dazu. Der Name, den ich trage, ist kein falscher; das kann ich Ihnen mit meinem Ehrenworte versichern.“
    „Ganz gewiß! Es ist kein falscher; er besteht ja aus der ersten Hälfte des richtigen. Warum aber lassen Sie das ‚horst‘ und das adelige ‚von‘ weg?“
    „Sie scherzen!“
    „Mein lieber Freund, ich mache eine Wette, daß Sie eigentlich Martin von Adlerhorst heißen!“
    „Sie bringen mich in Verlegenheit!“
    „Und daß Sie mit dieser Frau Hauser verwandt sind. Sie sehen ihr außerordentlich ähnlich.“
    „Das dürfte Zufall sein. Ich habe überhaupt das Gesicht der Dame gar nicht genau gesehen.“
    „Und doch ist sie Ihnen aufgefallen! Sie sehen aber ferner auch einem meiner Freunde so ähnlich, wie ein Bruder dem anderen. Er heißt Hermann von Adlerhorst.“
    „Sie kennen ihn?“ entfuhr es Adler.
    „Ja. Ich habe sogar seine Photographie mit.“
    „Ah! Darf ich sie sehen?“
    „Wenn ich sie Ihnen zeigen soll, so muß ich Sie ersuchen, sich mit in mein Zimmer zu verfügen.“
    „Sehr gern.“
    „So bitte, kommen Sie!“
    Steinbach führte Adler nunmehr hinaus und in das Parterregeschoß, wo Roulins Zimmer lagen. Dort tat er, als ob ihm plötzlich ein Einfall käme, und sagte:
    „Treten Sie durch die dritte Tür dort rechts. Ich komme gleich nach, ich muß nur schnell erst nach der Leiter in der Zisterne sehen.“
    Dann begab er sich in den Hof und huschte mit weiten, schnellen Schritten nach der schießschartenähnlichen Öffnung, die dem Zimmer, in dem Frau Hauser sich befand, als Fenster diente. Er konnte die Stube übersehen. Die Frau ruhte noch auf dem Bett, den Kopf in die Hand gestützt. Ihr bleiches, eingesunkenes Gesicht wurde von einem Lächeln erfüllt, jedenfalls hervorgezaubert durch das, was sie von Steinbach gehört hatte.
    „Gott wird mir verzeihen, daß ich hier den Lauscher mache“, flüsterte dieser vor sich hin. „Ich muß ja sehen und wissen, ob meine Absicht gelingt.“
    Jetzt wurde die Tür geöffnet, und Adler trat ein. Ohne sich vorher umzusehen, zog er die Tür hinter sich zu und tat einige Schritte vorwärts. Als er dann aber eine Wendung machte, erblickte er die jetzige Inhaberin des Raumes, die sich aus ihrer liegenden Stellung emporgerichtet hatte und ihn mit weitgeöffneten Augen anstarrte.
    Das brennende Licht reichte in dieser kleinen Stube aus, beider Züge genau zu beleuchten. Adler fuhr zurück.
    „Herr, mein Gott!“ rief er aus.
    Auf seinem Gesichte kämpfte das Entzücken mit der Angst, daß er sich irren könne.
    „Heiliger Himmel!“ rief sie mit ihm zu gleicher Zeit. „Täusche ich mich?“
    Sie breitete die Arme aus, wie um Adler zu umfangen, ließ sie aber wieder sinken. Beide waren so viele Jahre getrennt gewesen und hatten unter den Leiden der letzten Zeit ihr Aussehen verändert. Aber die Stimme des Herzens sprach lauter als aller Zweifel:
    „Mutter!“
    „Martin!“
    „Mutter, meine liebe, liebe Mutter!“
    Er stürzte hin zu ihr und sank vor dem Bett in die Knie. Sie bog sich nieder, zog seinen Kopf an ihr Herz und rief wonneschluchzend:
    „Du, du bist es! Dich habe ich wieder, dich! Endlich, endlich! Dieser einzige Augenblick macht mich gesund. Gott ist doch barmherzig; fast wollte ich zweifeln!“
    Sie glitt langsam vom Bett herab und auf die Knie nieder. So knieten sie eng verschlungen beieinander, still, ohne ein Wort zu sagen; aber die Tränen flossen. Und als doch endlich gesprochen wurde, da war es die Mutter, welche sich den Armen des weinenden Sohnes entwand und unter Schluchzen sagte:
    „Martin, vergessen wir den nicht, der uns wieder zusammengeführt. Den, der dort über den Sternen thront! Ja, Herr und Gott, Du Vater der Elenden und Erretter der Bedrängten. Dein Auge ist allsehend, und Deine Barmherzigkeit lenkt jeden Schritt der Zaghaften und Irrenden. Dein sind wir im Leben und im Tode. Du führst uns durch Trübsal zur Herrlichkeit. Dank, Ehre, Ruhm und Preis sei Dir jetzt und in alle Ewigkeit!“
    Draußen aber, vor dem Fenster drehte Steinbach sich um und wischte sich die fließenden Tränen vom Angesicht. Dann schlich er sich fort. Bereits nach wenigen Schritten blieb er wieder stehen, drehte sich gegen Osten, als ob sich dort jemand befinde, der es hören werde, und sagte in innigem Ton:
    „Ja, Gott sei Dank! Dies

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