53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten
ist gelungen. Mein lieber, lieber Vater, wenn du es erfährst, wirst du zufrieden sein mit deinem Sohn. Bald, bald wird deine Schuld glänzend abgetragen sein!“
Wäre der Lauscher nun noch vorhanden gewesen, so hätte er drinnen im Zimmer ein liebevolles Flüstern und Fragen, ein eiliges Berichten und Erzählen hören können. Mutter und Sohn saßen Hand in Hand beieinander und ließen die Vergangenheit an sich vorübergehen.
Darüber verging die Zeit. Der grauende Tag begann, seinen Schein durch die enge Mauerspalte hereinzusenden. Das Licht war zu einem Stümpfchen zusammengeschmolzen und verlöschte.
„Es ist Tag“, sagte Martin von Adlerhorst. „Du bedarfst der Ruhe. Schlafe, meine liebe Mutter, und dann, wenn du erwachst, sprechen wir weiter.“
„Ja, mein Sohn. Dann mag Steinbach, dieser geheimnisvolle Mann, der die Rätsel unseres Lebens besser zu lösen weiß als wir selbst, uns die Schleier lüften, hinter die wir jetzt noch nicht blicken können. Gute Nacht, Martin!“
„Schlafe wohl, Mutter! Ich werde jetzt nachsehen, ob Steinbach vielleicht noch wach ist. Nach Ereignissen wie den heutigen, denkt man nicht so leicht und schnell an Schlaf. Ich suche ihn auf und finde ich ihn, so soll er meinen Bitten wohl nicht widerstehen.“
Er ging.
Was den ersten Teil seiner Worte betraf, so hatte er ganz richtig vermutet: die Geretteten hatten trotz ihres Schwächezustandes noch nicht an Schlaf gedacht. Sie saßen beisammen, Männer und Frauen, und erzählten sich, wie sie nach und nach, eine Person nach der anderen, in die Hand Roulins gefallen waren und was sie von da an hatten erdulden müssen.
Steinbach saß abseits von ihnen auf einer Matte und hörte ihnen zu. Er war dabei beschäftigt, sich Patronen zu machen. Adler, oder vielmehr nun Martin von Adlerhorst, trat sofort zu ihm, streckte ihm die Hand entgegen und sagte:
„Herr Steinbach, ich fühle mich Ihnen zum innigsten, allerinnigsten Dank verpflichtet. Ich habe zwar nicht die versprochene Photographie gesehen, dafür aber eine Person, die mir teurer sein muß als ein bloßes Bild, welches Sie übrigens wohl gar nicht besitzen.“
„Sie erraten es“, antwortete Steinbach. „Ich habe keine Photographie. Ich benützte diesen Vorwand, Sie zu Ihrer Mutter zu schicken, und hoffe, daß Sie nun nicht mehr meinen werden, es sei notwendig, Ihren Stand und Namen zu verleugnen.“
„Und doch bin ich gezwungen, dies auch noch fernerhin zu tun.“
„Ich sehe keinen Grund dazu.“
„Ich habe einen Schwur ablegen müssen, einen fürchterlichen Schwur.“
„Gegen wen?“
„Leider darf ich das nicht sagen.“
„Hat Ihre Mutter auch geschworen?“
„Auch, ganz ebenso wie ich und wie alle meine Geschwister.“
„Doch nur die älteren. Magda hat zum Beispiel doch unmöglich schwören können.“
„Sie nicht, sie war noch gar nicht geboren.“
„Und Sie kennen aber die Einzelheiten jener gewaltsamen Katastrophe, infolge deren Ihre Familie getrennt und ihre Existenz vernichtet wurde?“
„Soweit sie meine Person betrifft, ja.“
„Hat Ihre Mutter Ihnen jetzt nichts erzählt?“
„Nein. Sie darf von jener Angelegenheit nicht sprechen, eben wegen des Schwurs.“
„Nun, so will ich Sie auch nicht mit Fragen belästigen, obgleich ich eigentlich die Absicht hatte, mehreres zu erfahren. Ihre Angelegenheit interessiert mich im höchsten Grad.“
Martin blickte ihn forschend an und fragte:
„Sie scheinen sich sehr eingehend mit derselben beschäftigt zu haben.“
„Allerdings.“
„Würde ich wohl den Grund erfahren können?“
„Hm! Es ist vielleicht nur derselbe allgemeine Grund, der einen jeden Menschen bewegt, sich mit Personen zu beschäftigen, deren Schicksale keine gewöhnlichen sind.“
„Aber Sie haben gewußt, daß wir Adlerhorst heißen?“
„Ich vermutete es.“
„So müssen Sie unsere Familie gekannt haben.“
„Ein wenig.“
„Woher?“
„Mein lieber Freund, Sie schweigen meinen Fragen gegenüber und wollen doch von mir alles wissen!“
„Das darf Sie doch nicht überraschen. Nicht nur Ihre Person, sondern auch Ihr ganzes Auftreten und Handeln ist ein solches, daß man wißbegierig wird, Näheres zu erfahren. Sie nennen sich Steinbach. Sollte dies Ihr richtiger, wirklicher Name sein?“
„Zweifeln Sie daran?“
„Aufrichtig gestanden, ja. Sie erwecken die Vermutung, daß Sie nicht der sind, für den Sie sich ausgeben.“
„O weh! Halten Sie mich etwa für einen verkappten Polizisten?“
„Nein,
Weitere Kostenlose Bücher