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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Jäger weit und breit. Er spricht nicht viel, aber jeder will ihn zum Gefährten haben. Er allerdings wählt sich seine Leute stets selbst und bringt mit seiner Gesellschaft die reichste Beute heim.“
    „Ist er noch jung?“
    „Nein; er mag wohl fünfzig Jahre zählen. Er ist auch nicht groß und stark, wie man von einem solchen Jäger denken sollte, sondern klein. Sein Gesicht ist fein und weißgelb. Ich habe einmal zufälligerweise gehört, daß der Kreishauptmann sagte, Nummer Fünf habe ein Gesicht wie ein vornehmer Inder.“
    „Vielleicht ist er ein Inder?“
    „Wohl kaum. Wie könnte ein vornehmer Mann aus Indien von dem Zaren nach Sibirien deportiert werden?“
    „Das ist wahr. Ist er schon hier?“
    „Ich habe ihn noch nicht gesehen. Gehe hinaus und frage nach ihm. Jeder kennt ihn, und jeder wird ihn dir zeigen. Vorher aber mußt du dem Kreishauptmann einen Besuch machen.“
    „Vorher? Hat das solche Eile?“
    „Ja. Erstens darfst du ohne seine Erlaubnis keine Stunde lang in meinem Haus oder überhaupt in Platowa verweilen. Sodann darfst du ohne seine Genehmigung nicht den Marktplatz besuchen, und drittens kannst du keinen Menschen engagieren, ohne daß der Kreishauptmann ihn unterzeichnet und besiegelt.“
    „Und eine Abgabe dafür empfängt?“
    „Natürlich! Und diese Abgabe wird zur Strafe desto höher bemessen, je länger du, nachdem du hier angekommen bist, zögerst, dich ihm pflichtschuldigst vorzustellen. Ich kann dir wirklich keinen besseren Rat geben, als augenblicklich zu ihm zu gehen.“
    „Verdammtes Ruß –“
    Der Fremde sprach das Wort nicht aus, murmelte aber einen Fluch in den Bart und fuhr dann laut fort:
    „Gut, so werde ich gehen. Bis ich zurückkehre, werdet Ihr wohl mein Zimmer in Ordnung gebracht haben.“
    Der Fremde schritt auf das in der Nähe liegende Gebäude zu und trat durch die Haupttür ein. Da war über einer Stubentür das wunderliche Wort ‚Prissutstwije‘ zu lesen. Das heißt auf deutsch soviel wie ‚Amtsstube‘.
    Dort stand ein Mann in der Uniform eines gewöhnlichen Kosaken. Der Fremde schenkte ihm keine weitere Aufmerksamkeit und fragte nur:
    „Wo finde ich den Isprawnik?“
    Er erhielt nicht gleich eine Antwort, denn der Kosak hielt das Augen wie erschrocken auf ihn gerichtet, trat zurück, fixierte ihn abermals und sagte erst dann:
    „Florin! Ist das möglich! Du in Sibirien!“
    Als der Angeredete diesen Namen hörte, erbleichte er. Das sah man sogar trotz seines Vollbartes ganz deutlich. Auch fuhr er vor Schreck um einige Schritte zurück, faßte sich aber sehr schnell wieder und antwortete in dem gleichgültigsten Ton, der ihm möglich war:
    „Du verkennst mich!“
    „O nein!“
    „O doch. Ich kenne dich nicht.“
    „Das ist möglich. Aber desto besser kenne ich dich. Es sind zwar Jahre vergangen, seit wir uns gesehen haben, und es mag sein, daß mein Gesicht sich verändert hat, aber deine Züge sind so, daß man sie nie vergessen kann, wenn man sie einmal gesehen hat.“
    „So, so! Wer soll ich denn sein?“
    „Der Kammerdiener Florin.“
    „Kammerdiener? Bei wem denn?“
    „Bei dem Baron Alban von Adlerhorst.“
    „Diesen Namen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört!“
    „Verstelle dich nicht!“
    „Warum sollte ich mich verstellen?“
    „Vielleicht hast du Ursache, deine frühere Existenz zu verleugnen.“
    „Höre, ich will nicht hoffen, daß du die Absicht hast, mich zu beleidigen!“
    „Das kann mir nicht einfallen.“
    „Ich würde es mir auch auf das strengste verbitten. Du trägst das Abzeichen eines Deportierten, bist also zur Strafe in ein sibirisches Regiment gesteckt worden. Es würde mich nur ein einziges Wort kosten, deine Strafe verschärfen zu lassen. Du könntest leicht aus der zweiten Klasse in die fünfte versetzt werden!“
    Als der Fremde diese Drohung aussprach, blieb der Kosak dennoch nicht ruhig und antwortete:
    „Und trotzdem möchte ich wetten, daß ich mich nicht irre. Es können unmöglich zwei Menschen, eine solche Ähnlichkeit besitzen.“
    „Was soll es anderes sein, als eine Ähnlichkeit! Ich habe nicht nötig, mit einem Strafkosaken eine Unterhaltung anzuknüpfen, aber du bist, sozusagen, doch auch ein Mensch, und darum will ich dir beweisen, daß du dich irrst. Hier ist mein Paß. Lies ihn!“
    Damit zog der Fremde den Paß hervor und reichte ihn dem Kosaken hin, der ihn öffnete, ohne auf die Beleidigung, die die soeben ausgesprochenen Worte enthielten, zu antworten. Der Paß

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