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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hat?“ fragte der Fürst im Ton des größten Erstaunens.
    „Ja, er“, antwortete sie.
    „Ist das nicht ein kleines Irrtümchen?“
    „Nein. Ich habe ihn sogleich erkannt, als ich hier eintrat und ihn erblickte.“
    „Es war doch ein Arbeiter, der dich errettete, nicht aber ein Kosak!“
    „So ist er indessen Kosak geworden.“
    „Welch ein Wunder! Ist es denn wahr, daß du ihr Retter bist, mein liebes Kosakchen?“
    „Ja, ich bin es“, antwortete der Gefragte.
    „So ist es also keine Täuschung! Du bist es! Laß dich umarmen!“
    Der Fürst zog den Kosaken an sich und schob ihn dann der Fürstin mit den Worten zu:
    „Mütterchen, drücke ihn auch an dein Herzchen! Er hat es verdient, daß du dich bedankst!“
    „Ja“, antwortete sie. „Komm in meine Arme, mein Söhnchen! Ich bin bereit.“
    Dann öffnete sie die dicken Arme. Der Kosak aber trat hinzu und duldete es, daß sie ihm die Hände auf die Arme legte. Sie wollte ihn im überquellenden Gefühl umarmen, brachte aber die Hände nicht weiter; sie war eben zu korpulent dazu. Sie hatte sogar die Absicht, ihn auf die Wange zu küssen, da aber ihre Gestalt einen zu großen Durchmesser hatte, so konnte sie ihn mit ihren Lippen nicht erreichen, und der schallende Schmatz explodierte wie eine Wurfgranate in der Luft.
    Der Fürst war mit großem Vergnügen Augenzeuge dieser außergewöhnlichen Zärtlichkeit seiner Gattin, meinte aber jetzt in verwahrendem Ton:
    „Nun darfst du aber nicht denken, daß auch mein Töchterchen dich umarmen und küssen soll. Das ist verboten. Sie ist ein Mädchen und eine Prinzessin. Und dazu ist sie die Verlobte des Rittmeisters, der der Sohn meines Freundes, des Kreishauptmännchens ist. Beide würden es nicht dulden, daß sie dich umarmt. Sage uns lieber, wie du so plötzlich Kosak geworden bist!“
    Bei der letzten Eröffnung hatte Karpala sich unwillkürlich abgewandt, und die Wangen des Kosaken waren blaß geworden.
    „Ach! Also darum!“ sagte er halblaut. „Was?“
    „Ich hatte einen Fehler begangen“, fügte er schnell und lauter hinzu. „Zur Strafe dafür wurde ich in die Ssotnie gesteckt.“
    „Du Armer! Aber da bist du selber schuld. Ich werde indes Fürbitte für dich einlegen. Meinst du nicht?“
    „Nein. Tue es nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Es würde mir nichts nützen, sondern nur schaden, mein Väterchen.“
    „Glaube das nicht, mein Söhnchen. Ich gelte sehr viel bei dem Rittmeister.“
    Da trat Karpala auf den Kosaken zu, gab ihm die Hand und sagte:
    „Willst du auch mir nicht erlauben, für dich zu bitten?“
    „Nein.“
    „Meinst du, daß er mir, seiner Braut, die erste Bitte abschlagen wird?“
    Nun zog der Kosak rasch seine Hand aus der ihrigen und antwortete in beinahe schroffem Ton:
    „Auf diese Weise gar nicht! Ich mag von ihm keine Gnade haben!“
    „Das ist mir sehr unlieb. Aber vielleicht kann ich dir eine andere Liebe erweisen, die du von mir annimmst. Jetzt erlaube mir, dir einstweilen das hier zum Andenken zu geben!“
    Karpala zog einen Ring vom Finger und ergriff seine Hand, um ihm denselben anzustecken.
    In diesem Augenblick trat der einstige Derwisch aus dem Nebenzimmer und öffnete dabei die Tür so weit, daß man sehen konnte, wer sich in dem letzteren befand, nämlich der Kreishauptmann, sein Sohn, der Rittmeister, und außer ihnen noch ein Kosakenleutnant.
    Alle drei erblickten die Gruppe.
    „Bula, der Fürst!“ rief der Kreishauptmann.
    Während der Derwisch sich schnell entfernte, trat der Rittmeister ebenso schnell heraus und fragte:
    „Was geht hier vor?“
    „Ich habe meinen Retter gefunden“, antwortete das schöne Mädchen.
    „Ja, ihr Retterchen!“ fiel der Fürst ein. „Freust du dich nicht auch darüber, Rittmeisterchen?“
    Der Genannte fragte, anstatt zu antworten:
    „Und was ist da geschehen? Was ist's mit diesem Ring?“
    „Ich habe ihm denselben geschenkt.“
    „Wie? Ihm, einem Deportierten einen Brillanten geschenkt? Das muß ich mir denn doch verbitten. Komm, Bursche!“
    Der Rittmeister ergriff die Hand des Kosaken, zog ihm den Ring vom Finger, steckte denselben sich selbst an und sagte, zu Vater, Mutter und Tochter gewandt:
    „Kommt herein! Hier ist kein Ort für euch!“
    Der Kosak stand vollständig regungslos da, ein Bild eiserner Disziplin, aber auch eiserner Selbstbeherrschung. Keins seiner Glieder bewegte sich. Nur um den Schnurrbart zuckte es kaum bemerkbar, und die Lider senkten sich nieder, damit der Blick seines Auges nicht

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