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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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also?“
    „Nein. Er jagt in den Wäldern des ihm zugewiesenen Distrikts und kommt nur zuweilen nach Platowa, um das, was er braucht, einzutauschen.“
    „Ist die Flucht ihm denn unmöglich?“
    „Ja. Ihr habt keine Ahnung, was es heißt, aus Sibirien zu entkommen.“
    „Aber Euch ist es doch geglückt.“
    „Weil ich gelegentlich zu einem Transport gehörte, der in die Nähe der Grenze kam. Sonst wäre ich heute noch Verbannter.“
    „Wie war es möglich, daß der Verbannte mit Euch so aufrichtig über seine Verhältnisse sprechen konnte?“
    „Das tat er niemals, aber ich hatte Vertrauen zu ihm und teilte ihm eines Tages mit, daß ich über China oder Indien fliehen werde, und da bat er mich denn, falls ich nach dem letzteren Land käme, solle ich nach Nubrida gehen und dort sagen, wo der verschwundene Fürst des Landes sich befinde.“
    „Wunderbar! Ich kenne nämlich die Tochter dieses indischen Fürsten.“
    „Ist das möglich?“
    „Ja. Es ist mir wirklich von allerhöchster Wichtigkeit, den Aufenthaltsort des Gefangenen zu erfahren. Kann ich Euch irgendwie dankbar sein?“
    „Danke sehr; ich habe, was ich brauche. Wenn es Euch aber recht ist, werde ich gern alles erzählen, was ich von dem Inder weiß.“
    „Ich bitte herzlich darum.“
    „Gut! Aber welche Station haben wir da erreicht?“
    „Das ist schon Molesto. Wir werden bald in San Franzisco sein.“
    Der Zug hielt eine kurze Zeit. Da ließ sich hinten am Eingang eine fragende, laute Stimme vernehmen:
    „Verzeihung, Señores! Befindet sich hier wohl ein Señor Steinbach?“
    „Hier“, antwortete der Genannte, indem er sich vom Sitz erhob und sich dem Frager näherte.
    Letzterer trug Zivilkleidung, stellte sich aber mit leiser Stimme als Polizeibeamter vor.
    „Ihr sucht einen gewissen Bill Newton, wie aus Euer Depesche zu ersehen ist“, sagte er. „Wir haben ihn schon.“
    „Wo?“
    „Hier in Gewahrsam. Wenn Ihr aussteigen wollt, so könnt Ihr ihn in Empfang nehmen. Die Belohnung die ihr ausgesetzt, ist verdient.“
    „Gleich, gleich komme ich, Señor.“
    Dann wandte sich Steinbach an den einstigen Verbannten und verabschiedete sich von ihm:
    „Sir, ich muß hier notwendig aussteigen; es liegt mir aber sehr viel daran, Euch in San Franzisco wiederzusehen. Könnt Ihr mir sagen, wo Ihr da zu treffen seid?“
    „Nein; ich will eine Woche oder zwei dort verweilen, weiß aber noch nicht, wo ich mich einquartieren werde. Nennt mir lieber einen Ort, an dem ich Euch finden kann.“
    „Schön. Das Palace-Hotel hat Platz für elfhundert und zehn Gäste, da werden wohl auch wir beide noch ein Plätzchen finden. Meinen Namen habt Ihr von diesem Señor gehört.“
    „Ja. Der meinige lautet Michael Kiroff. Ich werde in dem genannten Hotel wohnen. Habt also die Güte, nach mir zu fragen.“
    Die Herren verabschiedeten sich, und Steinbach folgte dem Polizisten. Er war natürlich außerordentlich gespannt, Bill Newton zu sehen, sollte aber leider in seiner Erwartung getäuscht werden. Er fand nämlich nur – den Anzug, den Bill sich heute nacht in der Venta gekauft hatte. Der Mann aber, der ihn trug, war ein vollständig Fremder.
    Er war mit Bill im Bahnwagen zusammengetroffen und hatte sich von diesem überreden lassen, gegen ein gutes Entgelt die Anzüge umzutauschen. Er selbst hatte ein Cowboy-Habit getragen, das Bill so sehr gefallen hatte. Der Mensch, der recht wenig Intelligenz zu besitzen schien, war von dem raffinierten Bill geschickt überredet und dann in Molesto arretiert worden.
    Natürlich telegraphierte Steinbach nun abermals nach beiden Richtungen und benutzte dann den Abendzug, um nach San Franzisco zu kommen. Im stillen sagte er sich, daß jetzt die Person des einstigen Verbannten für ihn viel mehr Wert besitze als diejenige des flüchtigen Bill Newton. Endlich war ein Teil des Schleiers gehoben, der sich über die Person der Geliebten breitete. Vielleicht war es möglich, ihren Vater zu retten und sie wiederzufinden, sie und auch Georg Adlerhorst, dem einzigen der unglücklichen Familie, über dessen Schicksal noch ein dunkler Schleier lag.

VIERTES KAPITEL
    Karpala
    In der ostsibirischen Kreisstadt Platowa war der Tag des Herbstjahrmarktes.
    Platowa hatte zwei berühmte Jahrmärkte. Der eine fällt in die Zeit des Frühjahrs. Da kommen die Jäger, um ihre Felle, die sie im Winter in den schneebedeckten Wäldern oder in den öden, einsamen Tundrasümpfen erjagt haben, zum Verkauf zu bringen. Zum Herbstmarkt aber versehen

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