54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
will, so jage ich die sämtlichen Kosaken zum Teufel. Man hat ja nur die Umgebung besetzt, hier aber sind wir unbeobachtet und können mit den ‚armen Leuten‘ ganz ungehindert verkehren. Willst du mir nicht einmal das Versteck zeigen?“
„Ja, du sollst es sogleich sehen. Komm mit mir!“
Peter Dobronitsch führte darauf Sam, Jim und Tim zur Pechtanne. Die drei Jäger waren natürlich vorsichtig genug, sich zu überzeugen, daß kein Unberufener sie dabei beobachtete. Sie zeigten sich erstaunt, als sie aufgefordert wurden, die Höhe des Riesenbaums zu ersteigen. Noch mehr aber wuchs ihr Erstaunen, als sie dann auf dem betreffenden Ast in das Innere der Höhle gelangten.
Diese war vollständig erleuchtet; und in allen Räumen herrschte ein außerordentlich reges Leben.
Die Verbannten fühlten sich ganz glücklich, ein solches Versteck gefunden zu haben.
Der Bauer und seine drei Begleiter wurden mit Jubel empfangen. Und als die Verbannten nun hörten, daß sie den glücklichen Ausgang des Überfalls zumeist dem energischen Eingreifen der drei fremden Jäger zu verdanken hätten, wollten die Händedrücke gar kein Ende nehmen.
Die meisten der Leute befanden sich natürlich in dem hinteren freien Raum, da, wo die Quelle sprudelte. Dort traf Sam auch den Kosaken Nummer Zehn.
Als dieser den Dicken und dessen zwei lange Begleiter erblickte, kam er erfreut herbeigeeilt und streckte ihnen die Hände entgegen.
„Da seid ihr ja!“ rief er. „Ich habe bereits von eurer Ankunft gehört und von dem, was man euch zu verdanken hat. Kommt her und setzt euch mit zu uns! Ich hoffe, daß ihr euch hier sehr gut unterhalten werdet.“
Auf der Felsenplatte, wohin der Kosak Nummer Zehn Sam und Jim und Tim jetzt führte, saßen zwei alte, grauköpfige Personen, ein Mann und eine Frau von sehr ehrwürdigem Aussehen. Bei ihnen hatte der Anführer der Verbannten, Alexius Boroda, Platz genommen. Er erhob sich sofort und begrüßte die drei aufs freundlichste. Als sie sich zu den beiden Alten niedergesetzt hatten, gab Nummer Zehn Alexius einen Wink und entfernte sich mit ihm an eine Stelle, an der sie nicht beobachtet werden konnten.
„Was gibt es?“ fragte Boroda.
„Wie gefallen dir diese drei Personen?“
„Außerordentlich. Sie scheinen wirkliche Originale zu sein.“
„Das sind sie auch. Ich meine aber besonders den Dicken.“
„Was ist mit ihm?“
„Ahnst du es nicht?“
„Was soll ich ahnen?“
„Hm! Ich habe absichtlich noch nichts gesagt; aber gleich, als ich hörte, daß ein dicker und zwei lange Menschen sich so gewichtig dreingelegt hätten, so wußte ich sofort, woran ich war. Diese drei Männer sind nämlich – nun, so rate doch!“
„Doch nicht etwa die drei Jäger aus Platowa, von denen du mir erzählt hast?“ fiel der berühmte Zobeljäger schnell ein.
„Ja, sie sind es.“
„Mein Gott, so wäre dieser dicke kein anderer, als Sam Barth, mein Onkel?“
„Er ist es.“
„Herr Jesus! So muß ich gleich –“
Alexius wollte eiligst fort. Der andere aber hielt ihn kräftig zurück und bat:
„Überstürze die Sache nicht! Es muß doch gar zu schön sein, wenn der dicke und deine Eltern selbst darauf kommen, wer sie gegenseitig sind. Hast du zu den Eltern schon von Sam gesprochen?“
„Nein. Du hattest mich ja gebeten, es nicht zu tun.“
„Dann schön! Setzen wir uns also zu ihnen und lassen wir der Sache ihren eigenen Verlauf!“
Sie kehrten darauf zurück und beteiligten sich in möglichst unbefangener Weise an der Unterredung, die natürlich in russischer Sprache geführt wurde.
Der Gegenstand der Unterhaltung bestand ganz selbstverständlich in dem heutigen Ereignis. Dann kam die Rede auf die Zukunft, der sie alle hoffnungsvoll entgegenblickten, und jeder glaubte, daß die Flucht nun nach Überwindung der bedeutendsten Anstrengungen gelingen werde. Man befand sich ja so nahe an der Grenze.
„Nun fragt es sich nur noch, wohin wir uns zu wenden haben, wenn die Grenze hinter uns liegt“, meinte der alte Vater Boroda. „Es gibt da so verschiedene Wege, aber alle haben den Fehler, daß sie unendlich weit sind. Über China, nach Indien, Persien, Afghanistan, durch die Kirgisensteppe.“
„Über die Richtung läßt sich jetzt noch nichts bestimmen. Warten wir, bis mein Gebieter kommt. Dem wollen wir alles vortragen, und er wird das Beste wählen“, sagte Sam.
„Gebieter? Hast du einen Herrn? Bist du ein Diener? Es schien mir nicht so zu sein.“
„Nun, das Verhältnis
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