54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Diensten stand.“
„Das ist wahr, das ist wahr! Ja, ich bin wirklich ich! Das Fieber hat mir nicht den Verstand geraubt. Ich habe nicht mich selbst verloren. Ich hatte ein deutsches Weib!“
„Und auch ein Kind hattest du.“
„Allah sei mir barmherzig! Wenn ich an mein Kind denke, so möchte ich vor Schmerz brüllen wie eine Löwin, der man ihr Junges geraubt hat. Eine Tochter hatte ich? Du weißt es? Kennst du ihren Namen?“
„Sie hieß Semawa.“
„Semawa, ja, Semawa, das heißt Himmelsblau. Ihre Augen hatten die reine Farbe des Äthers, und ihr Haar glänzte wie Gold. Mein Kind, mein Kind! Wo bist du hin! Verloren, verloren! Gestorben und verdorben! Ich weiß es, ich weiß es, wer sie mir raubte. Er war ein Teufel, dieser Graf! Allah verdamme ihn in den tiefsten Schlund der Hölle. Kennst du ihn?“
„Graf Polikeff? Ja.“
„Herr, du weißt ja alles, alles! Ist dir auch bekannt, wie er nach Nubrida kam, und wie er es anfing, mich zu verderben und sich meines einzigen, herrlichen Kindes zu bemächtigen? Sag, o sag, ist sie wirklich in seine Hände, in seine Krallen geraten?“
„Ja. Er hat sich ihrer bemächtigt, aber Allah hat sie beschützt. Er hat es nicht zugelassen, daß sie von diesem Schurken vernichtet wurde. Sie ward seine Sklavin. Sie mußte ihm folgen auf seinen ruhelosen Wanderungen, als ihn das böse Gewissen von Land zu Land trieb. Aber er durfte sie nicht berühren. Semawa war so rein, so heilig, daß er es nicht wagte, sie auch nur mit der Spitze eines seiner Finger anzutasten.“
Da sank der Maharadscha langsam in die Knie, erhob die gefalteten Hände und rief im Tone des Entzückens:
„Allah, ich danke dir. Vergib mir, daß ich an dir zweifelte! Und auch dir danke ich, du fremder Mann, für diese Freudenbotschaft, die mir neues Leben verleiht!“
„Danke mir nicht!“ antwortete Steinbach, indem er den Greis von der Erde emporzog. „Ich bin ein Selbstsüchtiger, wie du erfahren wirst.“
„Oh, gesegnet, siebenmal gesegnet sei die Selbstsucht, die mir solche Wonne bringt! Ich erfahre, daß mein Kind nicht verdorben ist. Und vielleicht ist es auch noch nicht tot. Vielleicht lebt sie noch, Semawa, der Glanz meiner Augen und das Entzücken meiner Seele! Weißt du, ob sie noch auf Erden weilt?“
„Sie lebt.“
„Sie – lebt! Sie – lebt!“
Der Greis brach in lautes Schluchzen aus, wankte und tastete mit den Händen um sich, um einen Halt zu finden. Steinbach aber schlang den Arm um ihn und hielt den Weinenden fest, der den Kopf auf seine Schulter gelegt hatte.
So standen sie lange, eng verschlungen und still. Auch aus Steinbachs Augen perlten Tränen schwer hernieder. Endlich löste sich der Maharadscha aus der Umschlingung, ergriff Steinbachs Hand und schluchzte:
„Weißt du, welch eine Botschaft du mir da bringst? Eine Botschaft des Lebens, der Erlösung, der Seligkeit! Allah mag meiner vergessen, wenn ich deiner vergessen sollte! Nun aber erlöse mich vollends, indem du mir sagst, was du von meinem Kind weißt. Semawa lebt. Aber doch bei ihm?“
„Bis vor kurzem, ja. Ihr helles, reines Dasein war an das schmutzige, verderbte Leben dieses Schurken gebunden, weil sie glauben mußte, es hänge ein Damoklesschwert über dir, das dein Haupt spalten werde, sobald sie den Grafen verlasse. Er hielt sie wie eine Gefangene. Niemand durfte zu ihr und sie zu niemandem. Nur wenn es seinen Plänen förderlich war, erlaubte er ihr zuweilen den Verkehr mit einem menschlichen Wesen. Aber sie durfte nicht sprechen. An ihrem Schweigen hing ja doch dein ganzes Leben. Selbst mir hat sie kein Wort mitgeteilt. Ich konnte nichts erfahren, obgleich sie wußte, daß ich mein Leben für sie opfern könne.“
„Was sagst du? Sie habe dir nichts mitgeteilt? Hast du sie denn gesehen, mit ihr gesprochen? Und wo war das?“
„In Stambul.“
„Allgütiger! Welch eine Botschaft!“
„Ich sollte das mit meinem Leben bezahlen. Der Graf hatte erfahren, daß ich mit ihr geredet hatte. Er schickte Mörder aus. Gott aber beschützte mich. Als ich Semawa dann wiedersehen wollte, war sie verschwunden. Polikeff war mit ihr nach Ägypten gegangen.“
„Fandest du sie dort?“
„Ja, aber als ich ankam, war sie bereits fort. Ich folgte damals dem Grafen in die Wüste und traf Nena, den derselbe zum Dank für die ihm geleistete Hilfe als Sklave verkauft hatte. Er erzählte mir alles und gestand mir seine Schuld. Ich nahm ihn mit nach Europa, wo er mir ein treuer Helfer in meinem Forschen
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