54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
noch! Oder denkst du etwa, daß ich dich nicht kenne? Du bist in eine Falle geraten, aus der du nicht wieder entkommen wirst. Du wirst als Deserteur erschossen.“
„Aber nicht sogleich!“ lächelte Georg.
„Sofort! Ich werde ein Kriegsgericht zusammenstellen und dich verurteilen lassen.“
„So! Da mögen dann die Herren bedenken, daß ich nicht eingefangen worden bin. Ich bin hierher geholt worden?“
„Von wem?“
„Von diesem da.“
Georg deutete auf Sam.
„Aus welchem Grund denn?“
„Es wurde mir befohlen“, antwortete Sam.
„Von wem?“
„Von Steinbach dort.“
„Der hat dir gar nichts zu befehlen, ganz und gar nichts. Wer ist denn der andere Kerl?“
„Mein Neffe. Steinbach hat befohlen, daß er kommen soll.“
„Donnerwetter!“ schrie der Major, „Steinbach und immer wieder dieser Steinbach! Ihn soll der Teufel holen! Ich wiederhole, daß er hier gar nichts zu befehlen hat! Woher bringst du diesen deinen Neffen?“
„Aus dem Wald.“
Das Gesicht, das Sam während dieses Verhöres machte, läßt sich gar nicht beschreiben. Es war so dumm und doch so pfiffig, so albern und doch so listig überlegen!
„Und wie heißt dieser Kerl?“
„Alexius Boroda.“
Sam sprach diesen Namen im gleichgültigsten Ton aus. Der Major aber fuhr um mehrere Schritte zurück.
„Ist's wahr?“ schrie er.
„Natürlich! Ich bin sein Oheim und muß ihn also kennen.“
„Und das sagst du mir in solcher Ruhe?“
„Warum nicht? Soll ich etwa dabei mit den Beinen strampeln?“
„Aber kennst du auch die Folgen? Wir suchen den Kerl! Wir brennen Fanale und Feuerzeichen an! Wir alarmieren die ganze Grenze, um den Kerl zu erwischen! Und da kommt er in aller Gemütlichkeit hier herein! Ist das menschenmöglich! Ein Deserteur, Nummer Zehn, und ein Aufrührer, Alexius Boroda! Welch ein Fang! Ah, man wird mit dem ganzen Volk hier, mit euch allen, sehr kurzen Prozeß machen. Ihr werdet alle sterben müssen, alle, alle!“
Der Major drehte sich im Kreis um und warf einem jeden einzelnen einen triumphierenden Blick zu. Da sein Auge zuletzt auf Steinbach haften blieb, so meinte dieser:
„Hoffentlich aber stellt man mit uns ein ordentliches Verhör an, bevor man uns alle enthauptet!“
„Verhör? Ist gar nicht notwendig. Das Verhör habe ja soeben ich hier abgehalten. Eure Schuld ist erwiesen, und nun wird euch der Prozeß gemacht.“
„Und wie lautet das Urteil?“
„Tod durch Kugel und Blei und auf dem Schafott durch den Henker.“
„Wird man uns vielleicht vorher erlauben, zu appellieren?“
„Fällt niemandem ein!“
Der Major merkte gar nicht, daß Steinbach nur ironisch zu ihm sprach. Jetzt aber machte der letztere ein ernsthafteres Gesicht und sagte:
„Darein würde sich wohl niemand fügen!“
„Willst du dich etwa wehren? Das wage nicht. Ich würde dich hier mit meiner Knute eines Besseren belehren!“
„Du? Pah! Von dir kann man gar nichts lernen!“
„Hund! Schweig! Sonst haue ich dich lahm!“
Der Major zog die Knute.
„Pah! Du wärest der letzte, von dem ich mich schlagen ließe. Ein Offizier, der sich von einem einfachen Zobeljäger so an der Nase herumführen läßt wie du, von dem ist nichts zu lernen!“
„Kerl, das soll dein letztes Wort sein!“
Der Major holte aus. Aber Steinbach griff schnell zu und hielt ihm die Peitsche fest.
„Du!“ warnte er. „Du hast hier nicht zu schlagen!“
„Nicht? Kerl, ich knute dich, mag hier stehen, wer immer will!“
„Wenn es nun ein Vorgesetzter von dir wäre?“
„Da haute ich dich erst recht! Der kann mir den Rücken hinaufkriechen. Ich fürchte mich vor dem Teufel nicht.“
„Also auch vor dem nicht?“
Steinbach warf schnell und gewandt den Oberrock ab und stand nun da in der Uniform eines Generalleutnants der russischen Gardekavallerie.
Der Major bewegte sich nicht. Er war ganz steif vor Schreck.
„Nun“, fragte Steinbach.
Der Major stieß einige Laute aus, deren Sinn nicht einmal erraten werden konnte.
„So knute doch!“
„Herr!“ stammelte er. „Verzeihung! Verzeihung! Exzellenz!“
„Verzeihung? Davon wollen wir später sprechen. Ihre militärischen Eigenschaften gehen mich einstweilen nichts an; aber daß Sie sich von einem Schwindler und Verbrecher betören lassen, das ist eigentlich unverzeihlich.“
„Schwindler?“ fragte der Major kleinlaut. „Verbrecher? Wer sollte das sein?“
„Dieser Kerl hier, der Graf.“
Der Major blickte ganz ratlos von einem zum andern. Der Graf aber war
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