54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
im wahrhaften Sinn des Wortes kreideweiß geworden. Es flimmerte ihm vor den Augen.
„Ein Verbrecher!“ wiederholte der Offizier. „Unglaublich! Aber wenn du es sagst, Exzellenz, so ist es wahr.“
„Natürlich ist es wahr. Du hast seit gestern einige Dummheiten gemacht, die dir nur schwer vergeben werden können.“
„Exzellenz, ich hoffe, daß du nachsichtig sein wirst!“
„Wollen sehen. Vielleicht bin ich bereit, von den Vorkommnissen dieser Tage nichts gesehen und gehört zu haben.“
„Ich danke dir! Die Hauptsache ist uns ja gelungen. Wir haben die Kerle.“
„Wir werden aber beide wieder hergeben müssen, mein lieber Major. Weil sie begnadigt werden.“
„Von wem?“
„Vom Kaiser natürlich.“
„Oh, das dauert lange!“
„Nein. Das dauert fünf Minuten. Der Kaiser hat mir einige Blankos gegeben, die ich nur auszufüllen brauche.“
Das riß den Major fast auf die Knie nieder.
„Blankos? Herr! Exzellenz! Bist du ein Großfürst?“
„Nein“, lächelte Steinbach.
„Ein regierender Ausländer? Oder irgendein Thronfolger? So etwas mußt du sein, denn sonst hättest du keine Blankos erhalten. Du mußt gekommen sein in einer sehr wichtigen Angelegenheit, vielleicht einer hochwichtigen Untersuchung wegen.“
„Das hast du ganz richtig geraten. Du sollst gleich sehen, welche wichtige Untersuchung und Angelegenheit es ist. Vorher aber wollen wir Kleineres ordnen.“
Steinbach setzte sich in seiner brillanten, goldblitzenden Uniform an den Tisch und zog eine wohlgefüllte Brieftasche heraus. Der Bauer mußte ihm Tinte und Feder bringen, worauf er zwei große, bereits unterzeichnete und mit dem kaiserlichen Siegel versehene Formulare herausnahm, sie auseinanderfaltete und auszufüllen begann. Als er fertig war, sagte er laut, so daß alle es hören konnten:
„Zunächst habe ich dir, Major, als hiesigem Oberstkommandierenden mitzuteilen, daß Seine Majestät geruht hat, den ehemaligen Hauptmann Georg von Adlerhorst, der als Nummer Zehn hier vor dir steht, als unschuldig zu befinden. Aus diesem Grund soll er augenblicklich entlassen und mit den nötigen reichlichen Mitteln versehen werden, um standesgemäß die Heimreise antreten zu können. Er wird als Oberstleutnant verabschiedet und pensioniert werden, wobei ihm das auf die Jahre seines hiesigen Aufenthaltes rückständige Gehalt dieser hohen militärischen Charge ausgezahlt wird. Hier ist der kaiserliche Ukas.“
Steinbach gab dem Major das Schriftstück hin. Dieser las es durch, machte ein Zeichen demütigen Erstaunens und gab es dann dem einstigen Kosaken Nummer Zehn.
„Hier hast du den kaiserlichen Befehl“, sagte er. „Du bist von diesem Augenblick an ein freier Mann.“
Georg von Adlerhorst überflog mit leuchtenden Augen die Zeilen, drückte das Dokument voller Wonne an sein Herz und stürzte auf Steinbach zu, um demselben zu danken.
„Lassen Sie, lieber Freund!“ sagte dieser jedoch abwehrend. „Sprechen wir später davon.“
Da kam Karpala herbeigeeilt.
„Ist's wahr? Ist's wahr?“ rief sie voller Entzücken. „Du bist frei, ganz frei? Welch ein Glück! Nun brauchst du wohl auch nicht von hier zu entfliehen?“
„Nein. Das habe ich nun nicht notwendig.“
„Kannst offen und ohne Scheu hierbleiben?“
„Hierbleiben oder abreisen“, nickte er ihr zu. „Ganz wie es mir beliebt. Ich bin nicht mehr vogelfrei.“
„Nicht abreisen! Du mußt bei uns bleiben!“
Steinbach ahnte, daß eine Weiterführung dieses Gespräches zu augenblicklichen Differenzen führen werde. Darum unterbrach er dasselbe:
„Davon wollen wir später sprechen. Jetzt habe ich hier den zweiten Ukas und bitte, von dem Inhalt desselben Notiz zu nehmen.“
Damit gab er das Dokument dem Major. Dieser las es aufmerksam durch und verkündete:
„Der geborene Deutsche und später naturalisierte russische Untertan Karl Boroda, der zu lebenslänglicher Deportation verurteilt wurde, ist sofort freizulassen und mit den nötigen Mitteln zu versehen, um in die Heimat gelangen zu können. Sein konfisziertes Besitztum ist ihm dort zurückzuerstatten samt den Zinsen, die es getragen hätte, wenn die Nutznießung ihm verblieben wäre. Diese Zinsen sind bis auf acht Prozent auf das Jahr zu berechnen. Sollte dieser Karl Boroda einen Fluchtversuch unternommen haben, so ist ihm und allen Personen, die ihm dabei halfen, die darauf ruhende Strafe zu erlassen und alles, was sich dabei begeben haben könnte, als völlig ungeschehen zu betrachten.“
Ein
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