55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
höchster Verlegenheit.
„Weil Sie dachten, ich könnte dieser Szene einer falschen Darlegung unterwerfen, meinen Sie? Nun, die Frau Baronin hat mich aufgeklärt. Sie hat den Abend genießen wollen, und Sie sind aus ganz demselben Grund nach dem Garten gegangen. Meine Frau Tochter ist über Ihr Erscheinen so erschrocken gewesen, daß sie in Ohnmacht fiel, und Sie haben sich ihrer ritterlich angenommen. Das hat sie mir erzählt, als Sie fort waren.“
Dem Direktor fiel bei diesen Worten ein schwerer Stein vom Herzen. Der Alte fuhr fort:
„Ich will gestehen, daß ich Ihnen für einen Augenblick im Herzen Unrecht getan habe; aber daran war Ihre plötzliche, unmotivierte Flucht schuld. Warum rissen Sie aus? Das mußte doch Verdacht erwecken! Ich bitte Ihnen hiermit meinen Verdacht ab und werde ihn sogleich gutmachen. Haben Sie Papier bei der Hand?“
„Genug“, antwortete der Direktor aufatmend.
„So nehmen Sie einen halben Bogen und fertigen Sie mir das Blanquet einer Quittung aus. Ich habe Ihnen heute eine Gratifikation versprochen. Wo ist das Geld, welches Sie wieder mit fortnehmen mußten?“
„Hier in meinem Schreibtisch.“
„Zählen Sie es auf!“
Müller sah, daß der Direktor das Geld aus dem verschlossenen Fach nahm, und da es mit lauter Stimme aufgezählt wurde, so hörte er deutlich, wieviel es war. Es waren die beiden Summen, von denen der Direktor heute gesprochen hatte. Der letztere bemerkte am Schluß:
„Diese beiden Firmen sind stets so vorsichtig, die Nummern ihrer Noten einzutragen und die letzteren außerdem zu zeichnen. Sie sehen auf jeder einzelnen die betreffenden Buchstaben, gnädiger Herr.“
„Das mag für gewisse Fälle gut sein“, meinte der Veteran trocken. „Doch das Blanquet, Herr Direktor!“
„Warum Blanquet, gnädiger Herr? Wollen Sie nicht die Gewogenheit haben, das Dokument gleich fertigen zu lassen?“
„Ich habe mich noch nicht entschlossen, welche Summe ich Ihnen aussetzen werde. Ich will erst morgen nachsehen, was und wie in den letzten Tagen gearbeitet worden ist. Setzen Sie einfach das Datum, nämlich das heutige, unten in die linke und Ihren Namen in die rechte Ecke.“
„Ganz wie Sie befehlen, Herr Kapitän!“
Er schrieb Namen und Datum in die beiden Ecken und reichte dann das Blatt dem Alten hin. Dieser betrachtete die Unterschrift genau und sagte sodann in einem ganz und gar veränderten Tone:
„So, das genügt, freilich nicht, Sie zu belohnen, sondern Sie zu bestrafen!“
Der Direktor blicke ihn überrascht an und fragte:
„Bestrafen? Verstehe ich recht, gnädiger Herr?“
„Sie haben ganz und gar richtig gehört. Sie sollen bestraft werden, sagte ich.“
„Wofür?“
„Erstens dafür, daß Sie es wagen, Ihre Hand nach der Baronin auszustrecken.“
„Ah, Sie haben doch soeben selbst gesagt, daß die Frau Baronin so gnädig gewesen sei, Sie über die Situation aufzuklären!“
„Hm, sie hat es freilich versucht, aber ich bin nicht der Mann, der sich von einem Weib betrügen läßt. Ich weiß alles, alles mein Herr!“ lachte der Alte höhnisch.
Der Direktor erbleichte, als er die Mitteilung des Kapitäns vernahm, versuchte aber dennoch, sich zu verteidigen.
„Da muß ein großer, beklagenswerter Irrtum vorwalten, Herr Kapitän.“
„Oh, nicht im geringsten! Ich habe hinter der Bank gestanden und Ihre ganze Unterhaltung mit angehört. Übrigens sehen Sie jetzt, daß ich geheime Gänge und Beobachtungspunkte habe. So gelang es mir, alle Zusammenkünfte, welche Sie mit der Baronin in deren Boudoir hatten, zu belauschen.“
Der Direktor sank auf den Stuhl zurück und schloß vor Schreck die Augen.
„Noch heute früh“, fuhr der Alte in strengstem Ton fort, „hörte ich, daß Sie sich für den Abend in den Park bestellten. Ebenso verstand ich jedes Wort, was Sie über mich sprachen. Ich brachte da zum Beispiel in Erfahrung, daß Sie nur durch die Liebe zur Baronin in Ihrer gegenwärtigen Stellung festgehalten werden. Sagen Sie da gefälligst selbst, ob dies Belohnung oder Strafe verdient?“
„Gnädiger Herr“, rief da der Mann entsetzt, „ich habe Ihnen treu gedient; ich bin es gewesen, der Ihr Etablissement zu dem gemacht hat, was es ist!“
„Treu gedient? Hahaha! Hier kommt das zweite, wofür ich Sie bestrafen muß!“
„Was ist es?“ fragte der Direktor voller Angst. Er kannte den Alten; er wußte, daß bei ihm von Nachsicht keine Rede sei. Er begann, alles zu befürchten.
„Da ich hörte, daß Sie nur durch die
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